Auf einen Uhudler in die Amtsstubn
Hallo Saskia, schön dass du wieder einmal im Süden vorbeischaust", freut sich Philipp Kroboth, als Saskia Jungnikl "Die Kanzlei" in Güssing betritt. Die Begrüßung ist herzlich, kennen sich die beiden doch seit Jugendtagen. "Wir sind beide in Güssing zur Schule gegangen. Damals haben wir uns in der Schule oder beim Fortgehen getroffen, heute komm ich zum Essen oder auf ein Glas Uhudler zu Philipp in die Kanzlei", erzählt Jungnikl.
Schicksal verarbeitet
Rund eineinhalb Jahre später war es dann soweit – "Papa hat sich erschossen" lautet der Titel ihres Buches, das im Herbst 2014 erschienen ist. "Das Öffentlichmachen hat auch etwas mit Aufarbeitung zu tun. Es ist mir sehr leicht gefallen, das Buch zu schreiben, weil alles quasi schon in meinem Kopf vorhanden war. Ich musste es nur noch rauslassen", erzählt sie. Neben unzähligen Interviews für heimische Medien war die Jungautorin auch in zahlreichen deutschen Sendungen zu Gast, unter anderem hatte sie einen Auftritt in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". Und auch ein halbes Jahr nach Erscheinen von "Papa hat sich erschossen" ist der Terminkalender von Jungnikl mit Lesungen und Workshops zum Thema Suizid prall gefüllt.
Neben den beruflichen Veränderungen brachte das vergangene Jahr auch private mit sich. "Seit September pendle ich zwischen Wien und Hamburg." Zeit für einen Besuch in ihrer Heimat muss aber trotz Terminstress immer sein. "Je weiter ich weg bin, umso lieber komme ich nach Hause. Wenn ich drei bis fünf Wochen nicht zuhause war, werde ich ganz unruhig", sagt Jungnikl. "Ich brauche die Ruhe, liebe es spazieren zu gehen, ohne einen Menschen zu treffen."
Vom Juristen zum Koch
Seither steht der "Anwalt in kulinarischen Sachen", wie Kroboth sich nennt, beinahe täglich hinter dem Herd und kocht seine Gäste mit regionalen Schmankerln ein. "Ich versuche einfache Gerichte gut zu machen, auf Schnickschnack zu verzichten."
Der Name des Lokals stammt übrigens aus alten Zeiten des Gebäudes. "Das Haus ist ursprünglich als Notariatskanzlei gebaut worden."
Große Pläne
Sowohl Jungnikl als auch Kroboth haben in nächster Zeit noch viel vor. "Ich habe gerade den Vertrag für ein neues Buch unterschrieben. Mehr darf ich dazu aber noch nicht verraten", sagt Jungnikl. Und Kroboth: "Die Kanzlei ist sicher nicht die letzte Station. Ich habe noch große Pläne für Güssing."
Die Güssingerin hat Geschichte studiert und anschließend die Fachhochschule für Journalismus absolviert. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als freie Redakteurin, ab 2008 als Online-Redakteurin für derstandard.at und ab 2010 schließlich für das Politikressort des Standard. Für den Text, den sie 2013 über den Suizid ihres Vaters im Standard veröffentlicht hat, wurde sie mit dem Leopold Ungar Journalismuspreis der Caritas (2013) und dem Claus Gatterer Anerkennungspreis (2013) ausgezeichnet. Alle Infos auf www.saskiajungnikl.com
Der Kanzlei-Grundsatz: Nutzen, was die Region hergibt und sie so noch bekannter machen. Fisch aus dem Güssinger Teich, Wild aus Krottendorf bei Güssing, dazu Weine aus der Region.
Mittelpreisig. Kalbsbeuschel um 9,80 €, Zanderfilet um 16,90 €.
Die Amtsstube der Kanzlei bietet Platz für bis zu 40 Personen. Auf der Terrasse lässt sich der Sonnenuntergang genießen. www.diekanzlei-guessing.com