Buzz

Ein Zappeln, das um die Welt ging

Do the Harlem Shake“ – eine Stimme ertönt, der Bass wummert, Menschen flippen aus. 15 Sekunden zuvor hat sich lediglich ein einziger Mann im orangen Ganzkörperanzug, mit Motorradhelm, bewegt. Jetzt schlackern, zappeln, kriechen, zucken alle im Rhythmus, viele imitieren sexuelle Bewegungen. In Fantasiekostümen oder spärlich bekleidet. Weitere 15 Sekunden später ist der Spuk vorbei.

„Harlem Shake“ heißt der Zappeltanz, der innerhalb eines Monats zum Internet-Phänomen wurde. Über 40.000 Versionen findet man auf YouTube. Aufgenommen in Uni-Hörsälen und Büros, an Haltestellen und auf Fußballplätzen – rund um den Globus. Das gleichnamige Lied, produziert vom US-amerikanischen DJ Harry Rodrigues Baauer (23), steht an der Spitze der US-Billboard Charts. Der Harlem Shake gehört zur Riege der sogenannten „viralen Trends“: vom „Gangnam-Style“ – dem Lied und „Pferdetanz“ des südkoreanischen Rappers Psy, über „Planking“ (Menschen machen sich steif wie Bretter und lassen sich an außergewöhnlichen Orten fotografieren) bis hin zum „Owling“ (Menschen sitzen wie Eulen und stellen die Fotos davon online).

Die besten Harlem-Shakes

Alle Inhalte anzeigen

Judith Denkmayr von der Social-Media-Agentur Digital Affairs sagt, dass es sich um „Memes“ (sprich: Mims) handelt. „Ein kulturelles Muster, das sich schnell weiterentwickelt. Der Begriff kommt vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins.“ Die ungewöhnlichen Auftritte werden fotografiert und gefilmt, um anschließend im Netz kopiert, parodiert und vervielfacht zu werden.

Einfaches Rezept

Wodurch werden Videos oder Bilder zu Internet-Hits?: „Sie müssen einfach sein und wenig Interpretation zulassen, sodass sie in jedem Land übernommen werden können. Wichtig ist auch der popkulturelle Hintergrund“, sagt Denkmayr. Seine Wurzeln hat der Harlem Shake im New York der 1980er/90er-Jahre. Albert Boyce, genannt Al.B. ( 2006), unterhielt vor 30 Jahren mit seinem Tanz die Zuseher bei Basketballspielen im Rucker Park, New York. Mit dem Getanze, das im Internet zu sehen ist, habe der Original-Shake nichts zu tun, sagten Bewohner von Harlem der britischen Wochenzeitschrift Economist. Die Mutter des verstorbenen Harlem-Shakers sagte der New York Times: „Sein Stil und Rhythmus, das ist der einzig wahre Harlem Shake.“

Berühmt wurde damit ein anderer: DJ Baauer. Dessen Erfolgslauf droht ins Stocken zu geraten. Zwei Musiker behaupten, Baauer habe Textpassagen aus ihren Liedern gestohlen und sie mit seinen Beats unterlegt. Doch das tut dem Hype keinen Abbruch. Mittlerweile springen auch Prominente auf den Zug auf. Nach den Spielern des Fußballklubs Manchester City und den „Simpsons“ stellten die österreichischen Ski-Herren eine Version ihres Harlem Shakes auf YouTube. 31.822-mal wurde das Video angeklickt. Dass nicht alle Arbeitgeber das Gezappel ihrer Mitarbeiter billigen, zeigt das Beispiel von australischen Bergarbeitern. Nachdem sie in einer Nachtschicht ein Video online gestellt hatten, wurden sie entlassen.

Virale Trends sind altersübergreifend. Eine Zielgruppe gibt es nicht, sagt Denkmayr: „Diese Art von Humor braucht keine Interpretation: Es sind lustige Bewegungen. Rhythmus und Überraschungseffekt sind dabei. Das funktioniert.“ Das wissen auch Marketingexperten. Pepsi und Nintendo haben einen Harlem-Shake-Werbespot veröffentlicht. Eine riskante Strategie: „Sobald die Marke zu offensichtlich ist, reagieren die User sensibel. Es herrscht ein gesundes Misstrauen gegenüber Werbung. Sie wollen keine Kommerzialisierung ihrer Kultur.“

Wozu man sonst noch so tanzen kann: "Vom Vogerltanz zum Gangnam Style"

Lolcats (lol steht für lautes Lachen, cats für Katzen) gehören zu den größten Internetphänomenen der letzten Jahre – das sind komische Fotos von Katzen, versehen mit Sprüchen in einfacher Sprache (lolspeak). Neuester Zugang ist „Grumpy Cat“. Bilder von der Katze mit dem grantigen Blick werden durch soziale Netzwerke verschickt. „Das sind popkulturelle Phänomene. Sie schaffen Gemeinsamkeit, weil sie einfach zu kopieren und zu verbreiten sind“, sagt Social Media-Expertin Judith Denkmayr. Websites wie memegenerator.net machen es möglich, solche Bilder zu erstellen.

Dass sich die Menschen schon vor dem Internetzeitalter über Katzenbilder amüsierten, zeigt ein Foto aus dem Jahr 1905. „What’s delaying my dinner?“ fragte da ein Kätzchen. Als Vorgänger der Memes sieht Judith Denkmayr auch Kettenbriefe, die früher kopiert und per Post verschickt wurden. Danach kamen die eMails mit Power-Point-Präsentationen, und jetzt sind es die Bilder mit Sprüchen. Neben den Tier-Memes gibt es auch spezifische. Denkmayr erinnert sich an den Hype um die „Grassermovies“. Via Twitter wurde nach Titel und Plakat für einen Film mit Karl-Heinz Grasser gesucht. „Ein Trend, der auf Österreich bezogen war. In Deutschland konnte damit niemand etwas anfangen.“

Was alle Meme-User eint, ist die Intention: „Es gibt Belege, dass Bilder zu teilen Glücksgefühle hervorruft. Man will Freunden zeigen, dass etwas lustig ist. Wenn sie das mit ,Likes‘ und Kommentaren bestätigen, regt es das Belohnungszentrum an.“

Die besten Grumpy-Cat-Momente im Internet

Alle Inhalte anzeigen