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Guido Tartarotti

Es gibt wohl einige Gründe, für eine Zeitung zu schreiben. Ein guter: "Ich begann als Journalist zu jobben, nachdem ich als junger Musiker bei einer Rauchpause während einer Bandprobe bemerkt hatte, dass mir das Geld für neue Gitarrensaiten fehlte. So gesehen bin ich immer noch von Beruf Musiker – nur dass die Rauchpause jetzt schon 16 Jahre dauert."

Guido Tartarotti ist heute Kritiker, Kolumnist und Glossist des KURIER. Vor allem aber ist er eines: vernarrt in Kunst. Und zwar in jeder Form. Wenn er ein Konzert, eine CD oder ein Theaterstück konsumiert und anschließend rezensiert, passiert das leidenschaftlich. Diese Leidenschaft, diese Dringlichkeit erwartet er auch vom Künstler: "Kunst kommt für mich nicht vom Können, sondern vom Müssen. Insofern müsste sie eigentlich Munst heißen."

Seine allererste veröffentlichte Geschichte schrieb er allerdings für die Chronik: "Spuren im Schnee". Eine Anleitung, welche Tierfährte zu welchem Tier gehört. Für einen alten Karl-May-Leser – ja, Guido Tartarotti hat etwas mit Erwin Pröll gemeinsam! – ein Klacks. Zur großen Überraschung des (noch in der frühen Rauchpause befindlichen) Jung-Autors wurde der Artikel nicht mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Sein bisheriges berufliches Highlight? Paul McCartney (ja, der Paul McCartney!) rief ihn zu Hause für ein Interview an. Man muss sich das so vorstellen: Rundherum heulen Kinder, streiten Nachbarn, lärmen Rasenmäher, und Sir ruft bei einem mit zitternden Knien auf der Eingangsstiege sitzenden Herrn Tartarotti an (0043-2236...). Und was geschah? Es entwickelte sich ein lockeres Gespräch – über sein letztes Treffen mit George, darüber, was John zu ,Hey Jude’ sagte, und den Irakkrieg. Ausgemacht waren 20 Minuten, Paul nahm sich eine Stunde Zeit und scheute kein Thema. („Die Größten sind meist die angenehmsten.“) Welch ein Erlebnis für einen Menschen, der bekennender Fan der Sixties-Heroen ist. Tartarottis musikalischer Traum, bei den Rolling Stones als Gitarrist einzusteigen, wird wohl dennoch unerfüllt bleiben. ("Lustig, für manche Dinge bleibt man ein Leben lang zu jung...") Später in der Rauchpause schlug eine Tartarotti-Geschichte recht hohe Wellen: Ein eitler, unter seinen Mitarbeitern nicht sonderlich beliebter, nur regional bedeutender ORF-Chefredakteur trat an einem Wahlabend selbst vor die Kameras, und erntete für den Auftritt in GUITAR s Kommentar das Prädikat "lächerlich". Die Kolumne wurde angeblich im ORF zigfach kopiert und verteilt.

Aber gerade im Tageszeitungsgeschäft führt die Schnelllebigkeit zu einer gewissen Gelassenheit. Guido Tartarotti: "Selbst die beste Zeitung ist am Tag nach Erscheinen Unterlegpapier für den Meerschweinchenkäfig. Und die Sprache ist für Journalisten schlicht das, was für Andreas Ivanschitz der Ball, für Pamela Anderson ihr Busen oder für Karl-Heinz Grasser seine Badehose ist – das Werkzeug."