Tourismus: Gastgeber muss alle Stücke spielen
Von Simone Hoepke
Dass der Gast von einem Dinosaurier empfangen wird, ist eher selten. Genau genommen gibt es das ein einziges Mal auf der Welt – im Henn-na-Hotel im japanischen Nagasaki. Dort stehen Roboter an der Rezeption, die wahlweise aussehen wie Dinosaurier, wie etwas ungelenke Menschen oder eben wie Roboter. Sie geben Ausgehtipps, führen zum Zimmer, verwahren die Koffer, übernehmen den Weckruf. Wie das erst im Vorjahr eröffnete Hotel ankommt, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass auch in unsere Hotels immer mehr Technik einzieht.
Das sieht man auch in Vorzeigezimmern des Hotel Schani in Wien, das mit dem deutschen Fraunhofer Institut bei "Future Hotel" zusammenarbeitet. Fraunhofer hat Reisende befragt, was sie sich vom Hotel der Zukunft erwarten und testet die Ergebnisse im Schani. "Ähnlich wie bei der Sitzplatzreservierung im Flugzeug kann man bei uns über eine App ein Zimmer auf einer bestimmten Etage, mit einem bestimmten Grundriss, mit Ausrichtung Süden, buchen", erklärt Anita Komarek vom Schani Hotel. Der Gast spart sich auch das Anstellen an der Rezeption. Diese gibt es gar nicht mehr, sondern eher eine Art Bar, neben der ein Check-in-Schalter wie am Flughafen steht. Dieser spuckt dem Gast – nach Eingabe des Namens oder der Buchungsnummer – die Zimmerkarte aus. Laut Fraunhofer will der Urlauber der Zukunft gar keine Karte. Er sperrt die Zimmertür lieber mit dem Smartphone auf. Auch das ist im Schani möglich – wird derzeit aber von nicht einmal jedem fünften Gast genutzt.
Hightech steckt auch in den Betten. Diese registrieren, wenn der Gast in der Nacht aufsteht. Komarek: "Dann geht automatisch ein Licht zum WC an, das aber nicht so stark ist, dass es den Bettnachbar aufweckt." Vieles in den Zimmern sind Spielereien. Etwa, dass sich das Radio anstellt, wenn jemand die Toilette benutzt. Komarek: "Wir fragen unsere Gäste, was ihnen gefallen hat und leiten die Ergebnisse ans Fraunhofer-Institut weiter."
Gäste als Flohzirkus
Das größte Problem aus Sicht der Gastgeber: Urlauber sind keine homogene Gruppe. "In Zukunft muss alles schneller, individueller und ungewöhnlicher sein", meint auch Kreativ-Berater Dietmar Dahmen. Die Zeit des Patentrezepts ist vorbei. Der eine Gast will beim Einchecken niemanden sehen und schon gar nicht sprechen. Der nächste fühlt sich erst richtig heimelig, wenn er an der Rezeption vom Wirt persönlich überschwänglich begrüßt und nach dem Wohlbefinden seiner Kinder gefragt wird. Möglich ist beides. Letzteres dank Big Data.
Durch die Auswertung von Kundendaten wissen Betriebe, wie alt die Kinder des Gastes sind, welche Hobbys die Familie hat, wer sich für den Weinkeller begeistert und wer mit Hund unterwegs ist. Entsprechende Angebote umgarnen den Gast. Theoretisch. Laut einer Roland-Berger-Studie werten 60 Prozent der Häuser die Daten ihrer Stammgäste nicht aus. Bis 2030 wird sich das radikal ändern, meinen Experten.
Ein schönes Zimmer allein reicht nicht, der Gast will etwas erleben. Ob es ein Zen-Buddhismus-Retreat, eine Nacht im Baumhaus oder die in Kalifornien schon jetzt angesagte "Offline-Woche" als besonders Erlebnis ist.
Ferngesteuerter Tourist
Schneller, individueller, ungewöhnlicher lautet das Motto. "Wer da nicht mitspielt, fällt raus", sagt Dahmen. Die Kreuzfahrtindustrie fährt erfolgreich auf dieser Schiene. An Bord ist immer was los, der Urlauber ist jeden Tag in einer anderen Stadt. Dahmen sieht Portale wie Airbnb im Aufwind, weil sie Kundendaten als Asset sehen. "Portale investieren in die Kundenansprache, maßgeschneiderte Angebote und Services."
Der ferngesteuerte Tourist ist übrigens gar nicht mehr so fern wie man denkt. Schon im Herbst 2013 wurden in Melbourne zwei mit Helmkamera, Mikrofon und GPS ausgestattete Reiseführer via Internet ferngesteuert. Potenzielle Gäste können diese via Twitter, Facebook oder Chat losschicken, um sich ihre Traumziel virtuell von zu Hause aus schon einmal anzusehen, erklärt Anja Kirig vom Zukunftsinstitut.
Ob das Schule macht, bleibt abzuwarten. Laut der Welttourismusorganisation UNWTO wird die Zahl der internationalen Ankünfte bis 2030 jedenfalls auf 1,8 Milliarden steigen. Zum Vergleich: 2012 wurde erstmals die Marke von einer Milliarde überschritten.
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