2030

Jeder zweite Job fällt Robotern zum Opfer

Die Roboter kommen nicht, sie sind längst da – und nehmen uns die Arbeit ab. In jedem dritten österreichischen Haushalt putzt ein Saugroboter völlig selbstständig Küchenboden und Wohnzimmerteppich. 2030 werden sie auch die Fenster putzen, Wäsche bügeln und sortieren, den Geschirrspüler ein- und ausräumen oder das Essen zubereiten.

Was im Privatleben durchaus erwünscht sein mag, sorgt im Arbeitsleben für diffuse Ängste. Denn Roboter können immer mehr, werden immer intelligenter – und billiger. Werden wir Menschen bald durch die Maschinen ersetzt? Ja, zum Teil schon, prophezeien viele Arbeitsmarktexperten angesichts der rasant fortschreitenden Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche, gerne auch vierte industrielle Revolution genannt.

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DieUnternehmensberatung A.T. Kearneyuntersuchte jüngst, welchen Einfluss Digitalisierung und Automatisierung auf heutige Berufe haben werden. Das Ergebnis ist ernüchternd. Fast jeder zweite Arbeitsplatz, konkret 45 Prozent, könnten in den nächsten zwei Jahrzehnten wegrationalisiert werden. Eine ältere, mittlerweile berühmte Studie der Universität Oxfordkommt zu einem ähnlichen Horror-Szenario. 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA könnten schon mit heutiger Technologie automatisiert werden.

Gefährdete Jobs

Zu den zehn am meisten gefährdeten Berufen gehören laut A.T. Kearney Büro- und Sekretariatstätigkeiten, Berufe im Verkauf und in der Gastronomie sowie kaufmännische und technische Betriebswirtschaft (siehe Grafik). Die Oxford-Studie hält auch U-Bahn-Fahrer, Flugzeugpiloten oder Aktienhändler für Auslaufberufe.

Weniger bis gar nicht bedroht sind Berufe in Branchen, in denen Empathie oder emotionale Intelligenz gefordert sind, etwa in der Pflege, Erziehung, Sozialarbeit, Forschung und Lehre. Auch viele naturwissenschaftlichen Berufe gelten als recht Roboter-resistent.

Grund für Panik sei deshalb nicht angebracht, beruhigt A.T.-Kearney-Studienautor Volker Lang. "Es macht keinen Sinn, rasant wandelnden Jobprofilen nachzutrauern", meint er, "bei der Einführung der Eisenbahn hieß es, jetzt seien Kutscher und Droschkenfahrer bedroht. Doch tatsächlich haben technologische Innovationen und Strukturwandel bisher auch neue Jobs und Wohlstand mit sich gebracht." Auch die Digitalisierung werde Berufsbilder hervorbringen, die heute noch völlig unbekannt sind.

Wird ein Roboter Ihren Job übernehmen? Die BBC rechnet auf ihrer Website die Wahrscheinlichkeit dafür aus.

Jobvernichtung

Den Optimismus teilen nicht alle. Erik Brynjolfsson, Buchautor und Ökonom am MIT in Boston, warnte kürzlich in einem NZZ-Interview vor einer naiven Rückblende: "Dampfmaschinen und Motoren ergänzten und ersetzten die Muskeln. Jetzt verstärken wir unser Gehirn. Dies ist eine andere Technologie, die sich viel breiter auswirken wird. Zudem geschieht die Veränderung diesmal viel rascher, weil sich die Rechenleistung von Chips etwa alle zwei Jahre verdoppelt."

Arbeits- und Freizeitforscher Peter Zellmann sieht die Entwicklung bis 2030 ebenfalls skeptisch. "Industrie 4.0 wird ganz neue Arbeitsplätze schaffen, aber zunächst sicher mehr Jobs kosten als sie bringt", stellt er nüchtern fest. "Wenn wir die Arbeitsplätze so wegrationalisieren wie jetzt, werden wir bei aller Euphorie um die höhere Produktivität einen Großteil der Jobs verlieren." Niemand werde dann aber das Geld haben, die vielleicht billiger produzierten Güter auch zu kaufen.

Die Zukunft der Arbeit sieht Zellmann daher nicht in der digitalisierten Industrie, sondern in der höher qualifizierten, personenbezogenen Dienstleistung. "Hightouch statt Hightech", sein Credo im Buch "Zukunft der Arbeit", gelte 2030 angesichts der älter werdenden Gesellschaft mehr denn je. Jede Tätigkeit, die von Computern ersetzt werden könne, werde irgendwann verschwinden, meint Zellmann. "Aber Maschinen werden nicht auf die höchstpersönlichen Bedürfnisse von Menschen eingehen können."

Empathie-Zeitalter

Das "Zeitalter der Empathie" bringe viele Jobs, so Zellmann, vorausgesetzt, die Politik stelle die richtigen Weichen. Personenbezogene Dienstleistungen – vom Kundenservice über die Erziehung bis zur Altenpflege – müssten einen anderen, viel höheren Stellenwert bekommen als heute. Auch Software-Ingenieure bräuchten Empathie, um Apps zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen.

"Mit der Mentalität ‚Geizist geil‘ werden wir in der Dienstleistung nicht weit kommen, da müssen wir die Wertigkeiten verschieben", so Zellmann. Die Arbeitsmarktpolitik müsse Ausbildung und Perspektiven in diese Richtung lenken. Nur auf Höherqualifizierung zu setzen, sei falsch. Es werde auch 2030 noch tüchtige Hilfsarbeiter brauchen, denn "arbeitslose Akademiker werden keine Künetten ausheben".

Arbeitszeit – was ist das?

Trotz Digitalisierung wird die Arbeit nicht ausgehen, aber sie wird sich verändern. Der klassische "9-to-5"-Vollzeitjob wird bis 2030 weiter zurückgedrängt. "Wenn sich die Rahmenbedingungen entsprechend entwickeln, wird Arbeit sicher anders verteilt werden als jetzt", ist Zellmann überzeugt, "wir werden pro Woche kürzer arbeiten, dafür pro Leben länger". Die Lebensarbeitszeit wird ausgeweitet, vorhandene Arbeit auf mehr Köpfe aufgeteilt werden, die Übergänge von Beruf in Pension dürften fließender werden. Völlig neue, flexible Formen des Zusammenarbeitens erwartet Philipp Maier, Arbeitsrechtsexperte in der Kanzlei Baker & McKenzie. Beim "Crowdworking" etwa haben Unternehmen keine fixen Arbeitskräfte mehr, sondern geben Arbeitsanfragen automatisch an einen Pool von Arbeitskräften weiter. Weiters könnte es 2030 "Wertkarten-Arbeit" geben, wobei ein Unternehmen einem Arbeitnehmer ein bestimmtes Arbeitszeitguthaben abkauft. Während der Laufzeit kann die Arbeit flexibel abgerufen werden. Ist zu Laufzeit-Ende noch Guthaben über, muss es der Mitarbeiter aber nicht zurückzahlen. Oder Arbeitnehmer sind bei mehreren Firmen gleichzeitig beschäftigt. "Durch die digitale Vernetzung zwischen den Unternehmen wird der Arbeitseinsatz koordiniert und sichergestellt, dass Höchstarbeitszeitgrenzen nicht überschritten werden", erläutert Maier.

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Wenn Roboter bis 2030 das Gros der Arbeit erledigen, warum sollen dann weiterhin nur die Bürger mit ihren Steuern und Sozialabgaben den Sozialstaat finanzieren? Ökonomen wie Paul Krugman oder Martin Ford ("Rise of the Robots") warnen davor, dass die Produktivitätsgewinne durch Automatisierung nur an jene gehen, "denen die Roboter gehören", und sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet. In den USA beispielsweise sinkt das mittlere Einkommen (Median) seit Jahrzehnten, Arbeit ist für viele nicht (mehr) existenzsichernd.

Andererseits treiben US-Technologieriesen wie Apple, Google oder Amazon die Digitalisierung global voran, sind aber zugleich für ihre kreative Steuervermeidung bekannt. Es besteht daher die Gefahr, dass von den weltweit vernetzten Menschen und Maschinen nur wenige global agierende Konzerne und ihre Aktionäre profitieren.

In vielen Ländern wird daher der Ruf nach Maschinensteuern oder Wertschöpfungsabgaben zur Finanzierung des Sozialstaates laut. Um Massenarbeitslosigkeit durch Automatisierung abzufedern, schlagen Ford und der MIT-Ökonom Brynjolfsson zudem ein Grundeinkommen für die Bürger vor, das mit Wertschöpfungsgewinnen finanziert wird. Wirtschaftsvertreter lehnen eine solche Kostenbelastung mit Verweis auf den globalen Wettbewerb als standortschädlich strikt ab. Für die Industriellenvereinigung sind es "Retro-Ideen aus den 1980e- Jahren, die keine Jobs schaffen". Experte Zellmann ruft zum Schulterschluss auf: "Es wäre schön, wenn sich die Politik des Themas einmal parteipolitisch unabhängig, sachorientiert und auf Längerfristigkeit bedacht annehmen könnte." Es gehe hier nicht um Ideologie, sondern um das Weiterführen des Wohlfahrtstaates.

In hundert Jahren, so prophezeite der britische Ökonom John Maynard Keynes 1930, werden Maschinen so viel Arbeit erledigen, dass wir Menschen nur noch 15 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Der Rest sei Freizeit und Vergnügen.

Schöne Utopie. Die Realität 2030 dürfte laut Arbeitsmarkt-Experten nicht ganz so rosig aussehen. Anders als bei Dampfmaschinen, Webstühlen und Fließbändern ersetzen bei Industrie 4.0 die Roboter nicht nur Muskelkraft und einfache Routinetätigkeiten, sondern vermehrt unsere geistigen Fähigkeiten – und das in rasender Geschwindigkeit. Tausende Industrie-, Bank-, Büro- oder Handelsangestellte werden in 15 Jahren von Computer und Internet ersetzt werden. Aufgeregte Studien stufen gar jeden zweiten Job als Auslaufmodell ein.

Panik ist ob der Horror-Szenarien nicht angebracht. Die Arbeit wird auch 2030 nicht ausgehen, denn überall dort, wo Menschen sind, gibt es auch Arbeit. Viel Arbeit, die auch in Zukunft nur Menschen erledigen können: Dienstleistungen am Menschen etwa, sei es nun Erziehung, Pflege oder guter Kundenservice, erfordern soziale Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen oder einfach zuhören können. Fähigkeiten, die unersetzlich, aber in einem wachstumsgetriebenen Industriezeitalter zu wenig wertgeschätzt werden.

Zukunft der Arbeit passiert nicht einfach, sondern kann aktiv mitgestaltet werden. Dazu müsste die Politik aber aus ihren ideologischen Gräben herausfinden und sich ernsthaft damit beschäftigen, wie sie die negativen Folgen der Digitalisierung auf Arbeitsmarkt und Wohlfahrtsstaat abwehren kann. Was nützt es sonst, dass Kinderbetreuung und Altenpflege zwar als unersetzliche Zukunftsberufe gelten, aber nicht finanzierbar sind?