Mario Trimarchis Entwürfe werden von der Dimension und Kraft gewöhnlicher Ideen getragen.Seine Arbeiten beweisen, dass inhaltliche Auseinandersetzungen Antworten auf oberflächliche Entwicklungen von heute liefern.
Oft wird die Arbeit von Designern etwas belächelt. Wie erklären Sie sich das?
Das liegt an vielen Dingen. Wenn man etwa eine Kaffeemaschine gestaltet, denken viele "Okay, das kann nicht so schwer sein, es gibt ja schon so viele." Aber darin liegt auch die Herausforderung. Neues muss um ein Vielfaches mehr können, als alles bisher Dagewesene. Dieser Druck ist absolut ernsthaft.
In der Nacht, da kann ich mich am besten konzentrieren, ich brauche absolute Ruhe zum Skizzieren. Es gibt nichts Beruhigenderes, als das Geräusch eines Bleistifts auf einem Blatt Papier. Dieses rhythmische Geräusch ist gleichzeitig mein größter Antrieb. Ab da weiß ich, dass ich mich fallen lassen kann. Meine Finger werden zum Übersetzer der Ideen – das ist elektrisierend und auch Freiheit.
Mit "Ossidiana" haben Sie den Archetypus einer Kaffeemaschine neu definiert. Wie kam es dazu?
Ich versuche, meinen Produkten immer einen skulpturalen Charakter zu verleihen. Große Maestri wie Michelangelo inspirieren mich. Sie haben mit ihren Händen und einem Meißel Großartiges erschaffen. Sie haben die Schönheit aus einem Stück Marmor herausgefiltert, ganz ohne technische Hilfsmittel. Das ist bewundernswert.
Vielleicht, aber heute, hundert Jahre später, gibt es bereits alles. Wir haben jede Form, jede Kurve, jedes Polygon in unterschiedlichen Materialien umgesetzt. Das ist natürlich wichtig, da dadurch auch Sprachen entstanden sind, die jeder lesen und verstehen kann. Aber ich denke, es kann nicht falsch sein, mit dem Wissen von heute zurückzugehen und in die Tiefe zu schauen. Der Computer allein kann dir nicht helfen, ein Produkt zu verstehen. Erst wenn man es angreift, baut und ausprobiert findet man die richtigen Proportionen. "Ossidiana" ist genauso entstanden.
Sind also handgemachte Prototypen die Antwort auf gutes Design?
Ja und nein. Auch ob es gut ist, weiß ich nicht, für mich war es eine absolut natürliche Entwicklung. Beim Erstellen des ersten Modells aus Lehm, war mir sofort klar, das ist es. Wir müssen weg vom klassischen Achteckigen, das Viereck liefert die ideale ergonomische Antwort.
Alessis Serie "La Stanza dello Scirocco" ist ebenfalls sehr bekannt. Sie ist ungewöhnlich, zerbrechlich und schaut auch irgendwie unvollkommen aus. Wie kam es zu der Idee?
Die Objektfamilie basiert auf dem Grundgedanken eines Zimmers in einem alten Landhaus auf Sizilien, in dem man sich aufhält, um der Schwüle zu entfliehen und darauf wartete, dass sich der Scirocco-Wind legt. Man tut nichts, außer daran zu denken, dass der Wind die Welt draußen durcheinanderwirbelt. Das bildete die Basis für die asymmetrischen Objekte mit arhythmischen, geometrischen Formen, die aus unterschiedlich großen Plättchen gefertigt sind. Auf den ersten Blick scheint die Konstruktion fragil zu sein, doch das Entscheidende liegt in der Verbindung einzelner Punkte. Es war spannend herauszufinden, wie man Wind designt. Das Instabile ist nun sichtbar und zeigt, dass es durchaus die Kraft besitzt, sich zu einem großen Ganzen zu formen.
Sie sagen oft, dass es beim Gestalten um Leidenschaften geht. Ist dass nicht zu plausibel?
Vielleicht, aber es ist für mich der einzig denkbare Zugang. Ich kann gar nicht anders, ich bin nicht daran interessiert, Dinge zu tun, die mir nichts bedeuten und ich möchte auch nicht immer nur Stühle gestalten. Es geht einmal mehr um die Auseinandersetzung mit Inhalten, das ist es, was meine Arbeit und letztlich auch mich ausmacht. Was raten Sie jungen Talenten? Früher hat es gereicht, der Beste zu sein, heute muss man rund um einen selbst Werte aufbauen und diese richtig kommunizieren – anders wird man nicht wahrgenommen. Die Welt braucht nicht noch einen mehr. Bevor man sich also entscheidet, Designer zu werden, sollte man sich fragen: "Was kann ich in diesem Bereich wirklich beitragen? Und ist Design der richtige Weg, um mich auszudrücken?" Überlegt man zu lange, sollte man lieber die Finger davon lassen.
Der gebürtige Sizilianer war „Director of Advanced Design“ an der Domus Academy und von 1989 bis 2000 Teil des Olivetti-Design-Studios, wo er gemeinsam mit Michele De Lucchi arbeitete. 1999 gründete er sein eigenes Studio „Fragile“, wo er unter anderem das Zeichen der italienischen Post konzipierte. Neben Kommunikationsdesign und Grafiken entwirft der Mailänder Oberflächen und Möbel.mariotrimarchi.eu