Geometrische Muster, Farben und Materialien spielen in der neuen "Circus"-Serie die Hauptrolle. IMMO war bei der exklusiven Kollektionspräsentation in Amsterdam und sprach mit Designer Marcel Wanders und Unternehmer Alberto Alessi über die neuen Stücke.
Gegenstände für den Tisch zu gestalten zählt im Produktdesign zur Königsdisziplin. Immerhin geht es doch um die wohl intimsten Gegenstände, die der Alltag zu bieten hat. Sie müssen ästhetischen, funktionalen aber auch haptischen Anforderungen gerecht werden – der direkte Haut- und Körperkontakt verlangt bei der Gestaltung besonderes Fingerspitzengefühl. Ob aufgeraut, geriffelt, geklopft oder aalglatt – jede Verarbeitungsmethode, jede Oberflächenstruktur ruft bestimmte Emotionen hervor. Ein Hersteller der genau weiß, wie das geht, ist Alessi. Das italienische Unternehmen ist ein Spezialist auf dem Gebiet, seit über 90 Jahren entwirft und fertigt er damals noch unter dem Namen Manufattura FAO Haushaltswaren aus Kupfer, Messing und Neusilber an, die einige Zeit später auch vernickelt, verchromt oder versilbert wurden.
Es ist die Feinstarbeit, die handwerkliche Tradition, die die Firma auch heute noch auf dem Markt souverän bestehen lässt. Früh erkannt hat das Unternehmen auch die Notwendigkeit, Design ernst zu nehmen. "Jeder Designer, den wir engagiert haben, hat die Firmenphilosophie auf seine Art und Weise interpretiert. Die Ausgangsvoraussetzungen sind für alle gleich, doch letztlich schreibt jeder von ihnen sein eigenes Alessi-Kapitel, die sind natürlich unterschiedlich groß und das von Marcel Wanders ist in jeder Hinsicht zudem sehr speziell", verrät Geschäftsführer und Eigentümer Alberto Alessi im Gespräch.
Fruchtbringende Kooperation
Es ist Ende August und der Italiener hat IMMO zum Produktlaunch geladen, für den man bewusst die Heimatstadt des Designers Marcel Wanders gewählt hatte: Amsterdam. Das Westerhuis, ein schickes Stadthaus direkt an der Westerstraat und in unmittelbarer Nähe zum hippen Jordaan-Viertel, beheimatet Wanders Studio und im Erdgeschoß einen Moooi-Showroom, das Label wurde von Wanders im Jahr 2000 mitbegründet. "Das Sortiment ist außergewöhnlich, also warum auch nicht die Location, in der man die Objekte zum ersten Mal einem Fachpublikum präsentiert", sagt Alessi. Denn das Innere ist in der Tat vieles, nur nicht gewöhnlich, denn das ist auch der 53-jährige Gestalter nicht. Die Portion Humor, die viele in seinen Produkten verorten, ist etwas mit dem er sich nicht hundert prozentig anfreunden kann. "Können Sie einen Witz erzählen, der länger als 12 Sekunden lang interessant ist? Nein und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das niemandem gelingen. Und ähnlich verhält es sich mit Design: Qualität verlangt eine ernsthafte Auseinandersetzung. Es gibt keinen Platz für Humor", beschreibt Wanders. Und doch zaubert die Inszenierung des neuen Sortiments ein Lächeln auf die Gesichter der Gäste, die hoch oben über den Dächern Amsterdams die Präsentation miterleben. Alles ist ähnlich einer Theateraufführung durchchoreografiert.
Der Titel der Kollektion – Circus – ist Programm. Man taucht ein in eine Welt, die für den italienischen Hersteller und das holländische Design-Studio vor mehr als fünf Jahren begonnen hat. "Der Zirkus ist aufregend und vielfältig. Wir haben versucht jede Facette in den Produkten aufzufangen. Es sind die Muster, das Ambiente und die Charaktere, die einen Besuch prägen. Es ist eine Welt der Artisten, Jongleure und Akteure, die hart dafür arbeiten, Menschen gut zu unterhalten und unser Zugang ist ähnlich. Es hat lange gedauert bis wir gewusst haben, welche grafischen Elemente und welche Figuren wir integrieren möchten, um eine in sich schlüssige Kollektion zu kreieren. Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht etwas überladen, aber auf den zweiten erkennt man, wie sich die einzelnen Muster ergänzen und wie die Werkstoffe miteinander harmonieren", erklärt Gabriele Chiave, Kreativdirektor bei Marcel Wanders.
Fine BoneChina wurde für die Salat- und Servierschalen verwendet. Für die Aufbewahrungsdosen setzte man auf eine Kombination aus Glas und Weißblech. Letzteres bildet für Weinkühler, Champagnerkübel und eine kleine Tablett-Serie die Basis. Die Besonderheit der Kollektion liegt allerdings darin, dass man wieder Farbe ins Alessi-Repertoire gebracht hat. Zum letzten Mal verließ Anfang der 1980er-Jahre "Mercurio", eine Tablett-Serie mit bunten, verspielten Blumenmustern, die italienische Produktionshalle: "Irgendwann sind die Stücke aus dem Katalog verschwunden und ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sie wieder ins Rennen zu schicken. Mit Marcel haben wir den richtigen Gestalter dafür gefunden. Er hat es geschafft, eine ernsthafte Lösung zu finden, besonders die technische Umsetzung der Objekte war sehr zeitintensiv. Techniker und Gestalter waren gleichermaßen gefordert, für die teilweise sehr kleingliedrige Serienelemente die geeignete Fertigung zu ermöglichen", sagt Alessi.
Mit viel Pomp und Glamour verwandelte man Wanders Westerhuis in einen Zirkus. Während Harlekine das Menü servierten, läutete eine Blaskapelle mit der typischen Zirkusfanfare die Gänge ein. Immer mit dabei die Charaktere der Objektkollektion: Marcello – der Nussknacker, Gilberto – der Korkenzieher, Valentina – die Spieluhr, Massimo – der Conférencier und Alberto – der Candyman, die alle tatsächlich zum Leben erweckt wurden. Sie symbolisieren die Hauptdarsteller eines klassischen Wanderbetriebes: "Diese Objekte setzen voraus, dass sie eine lebenswichtige Funktion haben, sie haben sie aber nicht, doch das ist gar nicht der springende Punkt. Wir haben eine hochwertige Sammlerkollektion entwickelt, die vor allem eines soll: Mehr als ein Leben überdauern. Denn es überleben immer nur die Dinge, die es Wert sind, weitergegeben zu werden. Man übergibt sie an seine Kinder, an die Enkel oder man erbt selbst das ein oder andere kostbare Stück – doch dabei geht es nicht um den materiellen, sondern viel mehr um den emotionalen Wert", sagt Wanders. Die Stücke bestehen aus rostfreiem Stahl, die Farbe wurde auflackiert, wobei man die geometrischen Formen stellenweise bewusst freigelegt hat. Edelstahl ist das Material, das an den Ursprung sowie die traditionelle Handwerkskunst des italienischen Herstellers anknüpft. Zudem sind die fünf Objekte auf eine Stückzahl von 999 limitiert.
Die Frage der Nachhaltigkeit ist gerade im Bereich des Designs eine oft gestellte, die Antworten darauf fallen jedoch sehr unterschiedlich aus. Mit der These "weniger ist mehr" kann Marcel Wanders im Übrigen nichts anfangen: "Das ist Quatsch, mehr ist mehr. Wir müssen einfach großzügiger sein – auch im Design." Es geht also auch hier ums Überleben und gutes Design tut das auch.