Vorgedacht: Gemeinden mit Baukultur
Von Mario Kopf
Pläne schmieden, das hat für Josef Hofmarcher eine besondere Bedeutung. Sowohl planen als auch schmieden – beides zeichnet seine Marktgemeinde Ybbsitz im niederösterreichischen Mostviertel aus. "Wir haben eine starke Eisenindustrie. Diese Tradition, dieses Handwerk pflegen wir und geben es an die Jugend weiter. Es prägt unseren Ort", sagt der Bürgermeister. Auch optisch: Gelände, Fassaden, Carports nehmen das Motiv auf, die Häuser der ehemaligen Hammerherren sind vorbildlich saniert.
Baukultur geht für den Politiker aber weit über Architektur hinaus: "Es ist die Verpflichtung, Lebensqualität zu schaffen." Die Nutzungskonzepte von Neu- und Umbauten, etwa eines Kindergartens mit Spielplatz auf dem Dach, werden mit den Betroffenen gemeinsam entwickelt. "Dazu wurden unheimlich interessante Wohnbauprojekte im Zentrum umgesetzt, die ihresgleichen suchen", urteilt Roland Gruber, Obmann des Vereins LandLuft.
1999 gemeinsam mit Thomas Moser gegründet, wird bis heute das Ziel verfolgt, Baukultur in ländlichen Räumen zu fördern. Nach 2009 und 2012 ehrt der Verein heuer bereits zum dritten Mal gemeinsam mit dem Österreichischen Gemeindebund vorbildliche Kommunen mit dem Baukulturgemeinde-Preis.
23 Einreichungen, 3 Preisträger
Aus 23 Einreichungen wählte eine siebzehnköpfige Jury unter Vorsitz des Linzer Universitätsprofessors Roland Gnaiger drei Preisträger: die Vorarlberger Gemeinden Krumbach und Lustenau – und Ybbsitz. Zusätzlich wurden Ernsthofen (Niederösterreich), Fließ (Tirol), Moosburg und Velden am Wörthersee (beide Kärnten) sowie die Region Südsteiermark mit einer Auszeichnung bedacht. Die Verleihung fand vergangenen Donnerstag im Wiener Palais Eschenbach statt. "Baukultur ist keine alleinige Angelegenheit von Experten, sondern auch von Bürgern, die die Sache selbst in die Hand nehmen." Roland Gruber, Obmann Verein LandLuft
Der Begriff sei nicht leicht verständlich, deshalb rücke der Verein die Themen in den Vordergrund: Ortskernstärkung, intelligente Siedlungsentwicklung, Energie und Klima, innovative Bürgerbeteiligungsprozesse, Raumentwicklung – Faktoren wie diese zeichnen Baukultur aus. "Wir nehmen das gut gebaute Objekt als Voraussetzung und blicken hinter die Kulissen von gelungenen Projekten, wie sie entstanden sind." Ziel des Preises ist es, die vorbildlichen Initiativen einer breiten Masse zugänglich zu machen – etwa über Buchpublikationen oder eine Wanderausstellung. Und natürlich möglichst viel Anregung und Inspiration zur Nachahmung zu bieten.
Starkes Zentrum gefragt
Einen Ansatz, den viele Teilnehmer beherzigt haben, ist die (Wieder-)Belebung des Zentrums. Die Marktgemeinde Lustenau befand sich jahrelang auf der Suche nach ihrer inneren Mitte – historisch bedingt gab es nie einen Kern, da der Ort aus sieben Teilen zusammengewachsen ist.
Ein Masterplan wurde entwickelt, Experten hinzugezogen, Anliegen festgehalten: Der Autoverkehr soll zurückgedrängt, die Fußgängerfrequenz erhöht, Geschäfte und Lokale belebt und Geschoßwohnbauten errichtet werden. "Wir spüren, dass Bewegung reingekommen ist. Auch private Investoren nehmen darauf Bezug und versuchen, die Umgebung zu berücksichtigen und Qualität zu schaffen", sagt Bürgermeister Kurt Fischer.
Ein wichtiger Aspekt sei zudem die Außenraumqualität. In Lustenau animiert die für alle nutzbare Sportanlage zur Bewegung. Temporäre Gebäude wie das "Feldhotel" oder Einrichtungen wie das "Gewächshaus", beide vom Architekturbüro kompott gestaltet, verwandelten brachliegende Flächen in einen Treffpunkt und Diskussionsort.
Qualitätsbewusste Gestaltung
Ansprechende Architektur alleine macht zwar noch keine Baukultur aus, sie trägt aber fraglos zur Aufwertung bei. Der dritte Preisträger Krumbach beweist dies anhand seiner beispielgebenden Wohn- und Kommunalbauten, die die Vorarlberger Tradition an die Gegenwart heranführen. Für Ruhm über die Landesgrenze hinweg sorgen sieben Bus-Wartehäuser, die von internationalen Architekten entworfen wurden. "Dadurch wird Mobilität neu thematisiert – und Warten attraktiv", meint der Experte. Krumbach gilt seit Langem als Vorreiter, von der Bauberatung über die -begleitung bis zur Gesprächskultur. "Da stehen starke Menschen dahinter, die solche Maßnahmen tragen können."
Um bei dem Wettbewerb mitmachen zu können, mussten Gemeinde-Verantwortliche einen ausführlichen Einreichbogen ausfüllen sowie ein Hearing bestehen. Anschließend wurden sie von Jurymitgliedern besucht. "Baukultur muss man verstehen. Dafür gibt es keine Checkliste, sondern nur intensive Auseinandersetzungen und Diskussionen."
Zahlreiche Initiativen
Zersiedelung, Eingriffe in die Landschaft, Bauprojekte zur Profitmaximierung um jeden Preis: Während viele ländliche Gegenden unter den Fehlern der Vergangenheit leiden, zeigen die prämierten Gemeinden, dass ein Ausmerzen möglich ist. So wurden in Velden am Wörthersee Architekturwettbewerbe veranstaltet sowie ein Beirat eingesetzt.
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