Schräge Angelegenheit
Von Mario Kopf
Neigungen gibt es viele, bei Grundstücken erfreuen sie sich nicht immer großer Beliebtheit. Zu Unrecht, wie Johannes Kottjé in seinem Buch unterstreicht. Die Belege dazu sind großzügig bebildert und werden von Plänen, Projektdaten und Beschreibungen ergänzt. "Um die Chancen eines Hanggrundstückes optimal nutzen zu können, ist eine durchdachte Planung erforderlich, die noch individueller auf die jeweilige Parzelle eingeht als sonst bei einem guten Architekturentwurf üblich", schreibt der Autor.
Ein wichtiges Kriterium bildet die Ausrichtung: Ideal ist es, wenn der Hang nach Süden bis Westen abfällt, im schlechtesten Fall verschatten Bäume das Grundstück. "Abgesehen von entwurflichen Aspekten sind beim Bauen am Hang auch konstruktive Besonderheiten zu beachten. So sollte in jedem Fall vorab ein Baugrundgutachten die Beschaffenheit und Tragfähigkeit des Bodens abklären", rät Kottjé. Außerdem sei sicherzustellen, dass die Wasserführung unverändert bleibt, um das Auftreten von Hangwasser zu vermeiden. Werden Maßnahmen wie diese getroffen, steht einem Wohnerlebnis bester Art nichts mehr im Wege.
Die Aussicht in die Ferne ist ein zentrales Argument, das für ein Haus in Schieflage spricht. Diese kann aber auch anderweitig hilfreich sein: Mithilfe des Hanges gelang es Baurmann.Dürr Architekten in Karlsruhe, eine Doppelhaushälfte so zu gestalten, dass sie fast freistehend und somit um einiges großzügiger wirkt als üblich. Der Garten liegt unterhalb des Wohnraumes, darüber wurde ein Teil des dreigeschoßigen Hauses ausgeschnitten und eine Terrasse eingefügt. Trotz dichter Verbauung entstand dadurch ein großzügiger Privatbereich.
Mit der Freifläche regelrecht verwoben präsentieren sich weitere Beispiele: Etwa das beeindruckende Refugium von Berschneider + Berschneider in der Oberpfalz, das durch die Verwendung einer Steinmauer eine natürliche Verbindung mit dem bewaldeten Hang einzugehen scheint. Eine Glasfassade sowie ein Kubus mit vertikalen Holzlamellen komplettiert das elegante Erscheinungsbild. Oder das Haus in Fieberbrunn (Tirol), das Herkrath + Bogatzki entwarfen: Sägeraue Lärchenholzbretter schmücken die Fassade des Hauses, das sogar ein Stück weit über die vordere Stützmauer hinauskragt. Während bei den meist mehrgeschoßigen Gebäuden Stiegenaufgänge unumgänglich sind, wünschten die Auftraggeber gänzliche Barrierefreiheit. Die Lösung: Ein Aufzug, der die verschiedenen Ebenen miteinander verbindet.
Lässt sich dies finanziell nicht realisieren, bleibt ein Trost: Denn Stufen dienen zugleich als probates Gestaltungsmittel. Etwa in Form einer weißen Treppe wie in der Villa von Philipp Architekten, die sich vom Souterrain bis zur Galerie erstreckt und das moderne Ambiente unterstreicht. Ein Projekt in Jena stellt den Aufgang mittels Glasfront sogar in die Auslage. Der Hang fordert eben mehr als gewöhnliche Rezepte – was erfreulicherweise oft zu gelungenen Architekturlösungen führt.
Gebäude mit schwieriger Ausgangslage: Johannes Kottjé präsentiert in „Häuser am Hang“ gelungene Projekte aus dem deutschsprachigen Raum.
Erschienen bei DVA, € 30,90