Mauernschlau: Ausgezeichnete Ziegelbauten
Von Mario Kopf
Vier internationale Architekten kürten sechs Gewinner (darunter zwei Hauptpreise), die diesen Donnerstag im RadioKulturhaus in Wien geehrt wurden. Was das Besondere an den Projekten ist, hat IMMO herausgefunden.
Gut platziert, stilvoll arrangiert: House 1014, Spanien
Hauptpreis + Preis Kategorie Urban Infill (Städtische Lückenschließung)
Wohnraum in Städten ist ein gefragtes Gut, jeder Quadratmeter zählt. So auch im historischen Zentrum von Granollers bei Barcelona, wo das spanische Büro Harquitectes ein Grundstück mit 6,5 Meter Breite bespielte. Die ursprüngliche Idee der Bauherren sah ein weiß geputztes Haus mit großen Glasfronten vor – die Architekten überzeugten jedoch, die Ziegel zu belassen – bei Nichtgefallen könne man immer noch verputzen. Dazu sollte es nicht kommen: Nun ergeben die unterschiedlichen Formate des Baustoffes schmuckhafte Ornamente, die für sich stehen. Das Domizil beherbergt einen Wohn- und Gästebereich mit Terrassen und Atrien, Vorhöfe an beiden Straßenseiten beleuchten die Räume. Dafür winkte nun der Haupt- als auch der Kategoriepreis. www.harquitectes.com
Konstant elegant: Büro 2226, Österreich
Hauptpreis + Kategorie: Special Solution (Außergewöhnliche Lösung)
Gelungene Architektur geht weit über eine ansprechende Gestaltung hinaus: Im Idealfall ermöglicht sie eine hohe Aufenthaltsqualität und basiert zudem auf einem energiesparenden Konzept. Diese Faktoren vereint das „Bürogebäude 2226“ des österreichischen Architekten Dietmar Eberle (Büro Baumschlager Eberle) in Lustenau allesamt in sich. Der Massivbau mit 76 cm dicken Ziegeln kommt ohne Belüftung, Heizung, Kühlung und wenig Technik aus. Als Energiequelle dient lediglich der Mensch oder die Abwärme von Geräten. Das Raumklima bleibt zwischen 22 und 26 Grad, daher auch der Name. Der proportionierte Bau wurde zweifach (Hauptpreis und Kategorie) prämiert. www.baumschlager-eberle.com
Mit Mut zur Lücke: Termitary House, Vietnam
Kategorie: Residential Use (Wohnnutzung)
In der Küstenstadt Da Nang gelegen, ließ sich das Architekturbüro Tropical Space von talentierten Baumeistern inspirieren: Termiten. Der Grundriss mit einem zentralen Wohnraum, in dem alle Bereiche zusammenkommen, ist den Hügeln der Insekten nachempfunden. Der Aufbau aus gebrannten Ziegeln, zwischen denen regelmäßig Abstände eingeplant sind, erlaubt es der Familie, durch Wände zu sprechen, ermöglicht aber auch – bei Verzicht auf Fenster – stets frische Luft und viel Licht. Eine Glas-Konstruktion schützt vor Unwetter und Ungeziefer, das Dach bietet einen kompakten Garten. Die nachhaltige und günstige Bauweise dient auch wegen der angenehmen Temperaturen im Inneren als Vorbild für weitere Projekte in tropischen Klimazonen. www.khonggiannhietdoi.com
Die Wurzeln nicht vergessen: Marília Project, Brasilien
Kategorie: Re-Use (Wiederverwertung)
Gläserne Hochhäuser prägen das Zentrum von São Paulo, alte historische Ziegelbauten sind zur seltenen Ausnahme geworden. Eine davon konnte bewahrt werden: Das Haus, dessen Pläne ins Jahr 1915 zurückreichen, bekam vom lokalen Studio SuperLimão ein zeitgemäßes Update verpasst. Die Substanz und die Baustoffe blieben erhalten, wurden jedoch adaptiert oder bekamen neue Funktionen. So besteht etwa die neue Tür aus Dachziegeln. Um als modernes Büro zu funktionieren, wurden die Bereiche erweitert und große Räume geschaffen. Die sichtbaren Neuerungen verstärken den Kontrast zum Altbestand. www.superlimao.com.br
Aufrecht platziert: Auditorium AZ Groeninge, Belgien
Grau thront das Auditorium des Gesundheitszentrums in Kortrijk bereits von weiter Ferne. Erst beim Näherschreiten wird die Art der Bauweise sichtbar: Dehullu Architecten aus Belgien verlegten die rauen Ziegel vertikal, um die Rundung des Gebäudes zu akzentuieren. Im Gegensatz zu dem gigantischen Spitalsbau nebenan scheint das kleine Objekt wie aus einer anderen Zeit und wartet mit einer eigenständigen Identität auf. Aus dem grünen Gelände herausragend, bietet es sich nicht nur für Konferenzen und Meetings, sondern auch als Verschnaufort für die benachbarten Mitarbeiter an. Die Dominanz der Ziegelsteine wird im Inneren fortgesetzt, das sich hell und minimalistisch präsentiert. www.dehullu-architecten.be
Zusammen wohnt man weniger allein: Cluster House, Schweiz
Kategorie: Sonderpreis
Keine Siedlung, sondern ein Stück Stadt: Dieses Ansinnen verspricht das Zürcher Hunzikerareal, auf dem unter anderem 450 Wohnungen entstehen. Eines der 13 Gebäude stammt von Duplex Architekten: Das fünfstöckige Haus aus Ziegel und Beton verkörpert eine moderne Variante der Wohngemeinschaft. Ein solcher „Cluster“ besteht aus einem großen Wohnbereich für alle Bewohner, an den kleine Privateinheiten mit Schlafbereich, Bad und Kochnische angeschlossen sind. Während auf Garagenplätze verzichtet wird, locken Angebote wie Car Sharing, Gewächshäuser oder Hotelzimmer für Gäste. www.duplex-architekten.ch
Das Buch zum Award versammelt 50 Projekte mit Detailaufnahmen, Plänen und Projektbeschreibungen. Callwey Verlag, € 49.95