Maria Schweizer sitzt seit 52 Jahren im Rollstuhl. Ihre Küche musste maßgeschneidert werden.
Ein Arm, doppelt so lange wie der, von gewöhnlichen Menschen. Nicht aus Fleisch und Blut, aber aus Metall und Holz. Damit greift Maria Schweizer nach der Süßstoff-Dose, die auf dem Küchenboden liegt. Die "Hand", nennt Schweizer die Greifzange, die es ihr möglich macht, Gegenstände zu erreichen, die für sie sonst außerhalb ihrer Reichweite liegen. Zum Beispiel Gewürze oder ein heruntergefallenes Geschirrtuch. Die 70-jährige Pensionistin ist seit dem 18. Lebensjahr querschnittgelähmt.
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Maria Schweizer wohnt mit ihrem Mann Manfred, der Obmann des Verbands für Querschnittgelähmte ist, in einem Haus
Laxenburg, das auf ihre Bedürfnisse ausgelegt ist. "Nach 52 Jahren im
Rollstuhl weiß ich, was ich brauche. Die Barrierefreiheit ist in
Österreich erst in den letzten 20 Jahren aufgekommen." Für die Küche ist es relevant, dass der Wendekreis für den
Rollstuhl vorhanden ist und dass jeder Arbeitsbereich unterfahrbar ist. "Es muss alles ein bisschen niedriger sein, als gewöhnlich. Die wichtigsten Dinge müssen erreichbar sein." So kann sie problemlos zum Kühlschrank oder dem Backrohr zufahren, die auf ihrer Sitzhöhe angebracht sind. Den Gatten stört das nicht. "Mein Auftrag in der Küche lautet meistens: ,Halt dich fern!’", bemerkt er lächelnd. Manchmal stemmt sich
Schweizer auch mit den Händen hoch und setzt sich auf die Kante ihres
Rollstuhls, um noch höher langen zu können. Beim Essen sitzt sie am Kopfende. Dort, wo keine Tischbeine im Weg sind.
Niemals aufgeben
Grund für ihre Lähmung war Arbeitsunfall auf dem Bauernhof ihrer Eltern: Als der Sau bei der Schlachtung ein Kopfschuss verpasst werden soll, dreht das Tier den Kopf. Die Kugel prallt am Schulterblatt ab, ein abgesplittertes Teil des Projektils traf Maria Schweizer und blieb in ihrem Wirbelkanal stecken. Das Rückenmark wurde abgedrückt. Rehabilitation und ein Leben, anders als geplant, waren die Folge.
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Während der Rehabilitation im
Tobelbad in
Graz entdeckt die gebürtige Lungauerin ihre Leidenschaft für Behindertensport. Aus anfänglichem Rollstuhlschnellfahren wird die paraolympische Tischtennis-Weltmeisterschaft "Ich habe es geliebt", erzählt
Schweizer. "Wir sind von
Europa, bis nach
Kanada und
Australien gereist. Wir waren jung. Wir hatten ein Ziel und alle Möglichkeiten." Bei den 4.
Paralympischen Spielen 1972 in
Deutschland, gewinnt sie Silber im Speerwurf und Bronze im Tischtennis-Team. 1976 holt sie in
Toronto,
Kanada, Silber im Tischtennis-Team und Bronze im Rollstuhl-Staffelfahren.
Nach eigenem Maßstab
Eine Küche behindertengerecht einzurichten ist eine persönliche Aufgabe. Eine Auswahl an fertigen Angeboten von professionellen Küchenherstellern gebe es laut Schweizer nicht. Sie habe mit einem Tischler zusammengearbeitet. "Er war nicht spezialisiert, aber er hat sich wunderbar in mich hineindenken können. Ich habe ihm gesagt, was ich brauche. Er hat es umgesetzt." Maria Schweizer kocht gerne für ihre sechs Enkelkinder, wenn sie zu Besuch kommen. Dann gibt es Geschnetzeltes mit Reis und Salat, Rindsrouladen oder Palatschinken. "Am Sonntag", erklärt Maria Schweizer, "werde ich verwöhnt. Da gehen wir immer gemeinsam Mittag essen." Die "Hand" bleibt an dem Tag in der Ecke stehen.
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