Das Architektenpaar Herbert Halbritter und Heidemarie Hillerbrand sind bei ihrem jüngsten Projekt auch selbst in die Rolle der Bauherren geschlüpft. Warum sie schon ziemlich konkrete Vorstellungen von ihrem Haus hatten und komplette Masterpläne sinnvolle Ansätze sind, haben die beiden im Gespräch mit IMMO in ihrem Atelier verraten.
Ein Reihenhaus, das Gartenhaus der Schwiegereltern und der ehemalige Bauernhof der Eltern – es waren viele Versuche, die Heidemarie Hillerbrand und Herbert Halbritter realisiert und bewohnt haben. Doch das Gefühl, dass es das Richtige ist, wollte sich bei beiden nicht so ganz einstellen. "Ich denke, wir wollten schon immer selbst bauen, doch es hat sich eben einfach nie ergeben." Der Reiz für Heidemarie Hillerbrand lag vor allem darin, Dinge endlich umsetzen zu können, die den Skizzenblock nie verlassen haben. "Ich wollte schon immer mit Sichtbeton arbeiten und einen Terrazzoboden haben, nun lebe ich damit", erklärt sie. Seit über zwanzig Jahren realisiert das Architekturbüro Halbritter & Hillerbrand, mit Sitz in Wien und Neusiedl am See, unterschiedliche Projekt in öffentlichen, gewerblichen sowie privaten Bereichen. Sie sind ein eingespieltes Team, obwohl für Herbert Halbritter, im Gegensatz zu seiner Frau, die Materialität beim eigenen Hausbau eine eher untergeordnete Rolle spielte: "Die Werkstoffe standen für mich nicht im Vordergrund, der Ort und die Gebäudetypologie hingegen schon. Ich wollte immer schon ein Atriumshaus mit der perfekten Ausrichtung konzipieren und hier haben wir die Möglichkeit bekommen." Ähnlich wie ihre persönlichen Anforderungen an ihr Privathaus gestaltet sich auch die Arbeitsaufteilung in ihrem Büro. "Wir verfolgen sehr experimentelle Ansätze, wobei meine Frau diejenige ist, die sich intensiv mit den unterschiedlichsten Werkstoffen auseinandersetzt und ich kümmere mich um Strukturen, Formen, Typologien", sagt Halbritter.
Die Hafen-Siedlung in Neusiedl am See bot dem Paar die perfekten Ausgangsvoraussetzungen – privat und beruflich.
2007 wurden sie mit dem Projekt beauftragt und erhielten den Zuschlag für die Erstellung eines kompletten Teilbebauungsplans. Die 14.000 großen Inseln befinden sich in der Nähe des berühmten Restaurants Mole West, das ebenfalls aus ihrer Feder stammt. Der ehemalige Parkplatz musste weichen. Die schiffbaren Kanäle wurden künstlich angelegt und schmiegen sich sanft in den Schilfgürtel. Für die Inselkonstruktion wurden zuerst Pfähle, dann Spundwände geschlagen und die Häuser im Rohbau errichtet. Parallel dazu wurde der Kanal ausgehoben. Etwa zweieinhalb Meter tief musste dafür gegraben werden, bevor die Kanäle geflutet wurden. Brücken verbinden die Inseln nun untereinander sowie mit dem Festland. Knapp 7300 Quadratmeter wurden vom Seeareal bebaut. Entlang der Seestraße befinden sich vier weitere zeilenförmig angeordnete Objekte. Insgesamt wurden 65 Häuser auf Gusspfählen errichtet. Die größte Herausforderung bildete der Bebauungsplan: "Unsere Vorstellungen sind mit der Zeit immer klarer geworden. Ein großes Vorbild dabei war für uns die traditionelle burgendländische Streckhausform, die auch unsere Architektur sehr gut widerspiegelt. Die Anordnung der Innenhöfe fasziniert uns und erfüllt jede Anforderung an ein zeitgemäßes Konzept." Dank der entwickelten Gebäudetypologien und der individuellen Formen konnte man trotzdem die öffentlichen Freiräume zu einem Ganzen formen. Die L-förmigen Grundrisse bilden dabei die Basis.
Die Häuser wurden vorwiegend erdgeschoßig ausgeführt, nur ein paar wenige haben ein Studio dazugebaut.
Die Größen liegen zwischen 85 und 250 Quadratmeter. Die Grundstücke verfügen über eine Breite von 12 bis 14 Metern sowie einer Länge von 22 bis 24 Metern. Halbritter & Hillerbrand haben ein umfassendes Regelwerk festgelegt. SAT- oder Klimaanlagen dürfen zum Beispiel gar nicht angebracht werden, alles muss einheitlich sein – selbst die Kaminaufsätze sehen ähnlich aus. Die Idee einer Ferienwohnhausanlage wurde ausgeweitet. Halbritter: "Nur die Gebäude in einem entsprechenden Kontext vor Ort zu positionieren, war uns zu wenig. Freiräume waren uns mindestens genauso wichtig, deshalb haben wir auch einen kompletten Teilbebauungsplan erstellt. Die Straßen sind gleichzeitig die erweiterten Wohnräume und die Bewohner sollen sich diese auch aneignen dürfen. Das gilt auch für die Wasserstraßen." Alle Flachdächer sind begrünt und selbst dafür gibt es einen Pflanzenkatalog. "Viele waren anfangs sehr kritisch, heute sind uns aber viele dankbar, dass wir einen restriktiven Plan verfolgt haben", erklärt Hillerbrand.
Die offene Bauweise zur Wasserkante sorgt dafür, dass sich der Wohnbereich und die Küche zum Kanal hin orientieren. Die Schlaf- und Arbeitsräume hingegen zum geschützten Hof. Mithilfe von Dachvorsprüngen und Attikahöhen konnte eine ideale Besonnung der Innen- sowie Atriumsflächen ermöglicht werden. Größere Wohnprojekte auch von der stadtplanerischen Perspektive durchzudenken, sehen beide als einen Teil ihrer Verantwortung gegenüber der Zukunft der Baukunst. "Es wäre fatal, wenn man davor die Augen verschließen würden. Die Ortskerne, die man zum Beispiel dadurch schaffen kann, sorgen für eine eigene Qualität und Identifikation. Die Bebauungsmechanismen sollten unserer Meinung nach noch viel stärker ausgearbeitet werden."
Es ist eine Architektur, die ohne Jahreszahl auskommt.
Die Baukünstler schätzen Materialien, die schön und würdig altern, dasselbe gilt auch für Kubaturen. Der größte Irrtum, mit dem sie sich konfrontiert sehen, ist, dass viele denken, ein Architekt muss alles wissen: "Wir sind keine Universalgenies, wird sind Spezialisten und ein Professionist eben auch." Wichtig ist, dass die Aufgabenstellung und der Ort passen sowie der Realitätsbezug der Bauherren, damit das geplante Vorhaben mit ihren Mitteln umsetzbar ist: "Einen Auftrag muss man sich gemeinsam erarbeiten, wir geben nichts vor, aber auch der Bauherr sollte das nicht. Denn dann werden wir automatisch zu Erfüllungshilfen und das sind wir nicht. Wenn ein Auftrag für uns nicht nachvollziehbar und ablesbar ist, dann übernehmen wir ihn auch nicht." Bei zwei Projekten bereuen sie es heute noch, dass sie damals nicht einfach Nein gesagt haben. Die Vorstellungen des Bauträgers und der Architekten lagen zu weit auseinander. Hinzu kommt, dass die beiden auf ihrem Arbeitsweg täglich daran vorbeifahren: "Sagen wir es so: Dadurch werden wir immer daran erinnert, keine Diskussionen zu scheuen und nie aus den Augen zu verlieren, dass wir uns nicht verbiegen lassen."