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"Hochhäuser brauchen einen Mehrwert"

Ist Wohnen im Hochhaus ein Trend in der Bundeshauptstadt?
Christoph Luchsinger:
In Wien schießen die Wohnhochhäuser noch nicht aus dem Boden, man ist im Vergleich zu anderen Städten relativ vorsichtig. Auch, weil der Großteil des Wiener Wohnbaus öffentlich gefördert ist, daher war es bis jetzt nicht wirklich ein Thema. Mit der Bewegung, die viele zurück in die Stadt zieht, kann sich das ändern. Wenn man aber die Vermarktung der neuen Projekte betrachtet und bedenkt, wie schwierig die Wohnungen zu verkaufen und zu vermieten sind – einfach weil sie sehr teuer sind –, habe ich meine Zweifel.

Die Wiener zieht es eher nicht in luftige Höhen?
Ja, das kann man so sagen. Hier gibt es noch eine relativ beharrliche Kultur, die Wohnen im Hochhaus nicht unbedingt favorisiert. Es spricht eher Zielgruppen wie karrierebewusste Menschen der Oberschicht an, Kreative im weitesten Sinne. Wenn sich die Bodenpreise, die Bau- und Brandschutzvorschriften oder die Strukturen der Bauträger ändern, kommen auch andere Player ins Spiel. Wir untersuchen gerade, an welchen Schrauben man drehen kann.

Sie haben im Auftrag der Wiener Stadtplanung 2014 das "Fachkonzept Hochhäuser" entwickelt. Was war das Ziel?
Das Credo ist, dass Wien nur Hochhäuser baut, die einen wirklichen Mehrwert für die Öffentlichkeit bringen. Dieser muss bei jedem Projekt individuell zwischen öffentlicher und privater Hand ausgehandelt werden. Außerdem wurde festgelegt, wie der Entstehungs-, Planungs- und Realisierungsprozess abzulaufen hat. Bürger werden bei den Bauvorhaben vorab miteinbezogen – so können Konflikte verhindert werden.

Ist der Wolkenkratzer eine Antwort auf Probleme wie hohe Grundstückpreise oder knapper Wohnraum?
Nein, das ist in Wien und den meisten europäischen Städten kein Thema. Auch die Zuwanderung mit Wohnhochhäusern zu meistern, ist obsolet – sie sind einfach zu teuer.

Was bleibt dann noch – die schöne Aussicht?
Die Qualität des Wohnhochhauses liegt zweifellos im Weitblick. Auch das Wohnen am Wasser wird für einige Neubauten als Attraktion genutzt. Interessant sind Hybridnutzungen, wo Wohnungen, Arbeitsplätze und öffentliche Räume verbunden sind. Investoren haben aber am liebsten monofunktionale Gebäude und sind nicht unbedingt bereit, eine "Stadt in der Stadt" zu bauen.

Gibt es ein Objekt, dessen Architektur Sie begeistert?
Ein hervorragender Bau ist das erste Hochhaus Wiens in der Herrengasse, das man als solches vom Straßenrand aus gar nicht wahrnimmt. Die Höhe wird verschleiert und erst ab einer gewissen Distanz und Position sichtbar. Auch Alt-Erlaa hat riesige Qualitäten, die sehr geschätzt werden.

Gewinnt eine Stadt mit Hochhäusern an Profil?
Das Problem ist, dass alle Städte das Gefühl haben, mit Hochhäusern das Image aufzuwerten. Dadurch ist es kein Alleinstellungsmerkmal. Wien könnte stattdessen schrittweise Autos aus dem öffentlichen Raum entfernen, um diesen richtig zu nutzen. Das wäre ein wirkliches Qualitätsmerkmal.

In Wien, London und Stockholm entstehen Hochhäuser aus Holz. Ist das die Zukunft?
Man kann das probieren, aber ich glaube nicht, dass es eine große Zukunft hat: Aus Kostengründen, aus Gründen des Brandschutzes und statischer Überlegungen. Andere Materialien wie Polycarbonat, das wenig Gewicht hat, gut verformbar ist und dennoch eine hohe Festigkeit hat, ist eine interessante Option, aber ebenfalls eine Frage des Preises.

Gibt es ein Limit?
Aus bautechnischer Sicht gibt es keine Grenzen, wie Projekte in Asien zeigen, die einen Kilometer Höhe erreichen. Das ist absurd. Beim Wohnen gibt es psychologische Obergrenzen. Etwa bis zum zwanzigsten Geschoß hat man eine gute Aussicht, darüber nimmt die Attraktivität sogar ab. Lange Wege und das geringere Sicherheitsgefühl sind Hemmschwellen.

Habe ich richtig herausgehört, dass Sie selbst in keinem Hochhaus wohnen möchten?
Doch. Es müsste nur eine zentrale Lage haben, dürfte nicht zu viel kosten und die Räume müssten großzügig sein. Da sind wir an einem Punkt, an dem es wahrscheinlich nicht mehr realistisch ist.