Anziehungskraft
Von Ankica Nikolić
"Die reine Handschrift und bestechende Klarheit gibt diesem Gebäude seine unverwechselbare Identität und Ausstrahlung. Jeder Trend ist hier unwichtig und so kenne ich auch nichts Vergleichbares auf der Welt. Fritz Wotruba (1907–1975) war einer der bedeutendsten österreichischen Bildhauer und schuf hier eine riesige Skulptur, die durch ihre Funktion als Kirche zu Architektur geworden ist: so ruhig und klar, so massiv und gleichzeitig spielerisch leicht. Die unzähligen Nuancen der Betonfarben, die vielen Proportionen lassen dieses Gebäude Geschichten über Geschichten erzählen. Für mich war das Beobachten von Gebautem ein ganz wichtiger Weg zur Architektur. Früher habe ich gerne und viel gezeichnet. Besonders auf Reisen war ich immer neugierig und inspiriert, in Wien zog es mich meist magnetisch zur Wotrubakirche. Jedes Mal voller Erwartung, welche neuen Linien und welche strukturalen Beziehungen ich entdecken werde – das Ergebnis sind über hundert Skizzen und Aquarelle. Architektur und Bildhauerei teilen die Faszination für die Eroberung des Raums. Architekten denken den Raum aus zwei Richtungen. Von innen nach außen und von der Fassade ins Innere hinein. Der Bildhauer hingegen schafft eine Skulptur, mit Schwerpunkt auf dem äußerlichen Erscheinungsbild – losgelöst von jeder Funktionalität. Dieser bildhauerische Zugang ist bei der Wotrubakirche deutlich sichtbar – jenseits aller architektonischen Parameter unzähligen ist es hier die besondere Aura, die mich anspricht."