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Am Boden: Designer Stefan Diez

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Sie arbeiten nun schon viele Jahre mit Th­onet zusammen. Das Unternehmen steht für Tradition. Wie wichtig ist Ihnen der Blick in die Vergangenheit?

Geschichte ist immer ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Ich bin der Meinung, dass der Blick zurück den Blick nach vorne unheimlich erleichtert. Man kann die Richtung besser erkennen. Ansonsten würde eine Beliebigkeit entstehen, die ich als Designer versuche zu eliminieren.

Mein Anliegen ist es, eine Schlüssigkeit reinzubringen, das man versteht, wieso etwas ist oder eben auch nicht ist. Das Begreifen von Zusammenhängen ist meiner Meinung nach eine Voraussetzung dafür, dass man irgendwas mögen oder gern haben kann.

Der Blick zurück müsste zwangsläufig nach Wien führen. Stichwort: Kaffeehausstuhl. Michael Thonet flüchtete einst in unsere Hauptstadt. Was assoziieren Sie damit?

Wien bot ihm damals die optimalen Bedingungen, um seine Ideen besser zu verwirklichen. Im Grunde geht es uns Designern immer noch so.

Hersteller sind unsere Plattform, gemeinsam können wir versuchen, an einer Idee zu arbeiten. Der Gegensatz zu früher: Es ist alles viel undurchsichtiger geworden. Schade finde ich etwa, dass die wenigsten Kaffeehausstühle noch Originale sind. Häufig sind es Kopien aus Asien.

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Was können wir daraus lernen?

Dass die Vergangenheit uns einen Baukasten mitgibt, ein Repertoire, mit dem wir heute etwa für Thonet Möbel entwerfen können, die daran anknüpfen. Nicht nur in Wien hat es Thonet geschafft, die Kaffeehauskultur zu prägen, eigentlich verrückt, dass das nur die wenigsten wissen oder?

Wir haben heuer den Messestand auf der Mailänder Möbelmesse von Thonet gestaltet und genau dieses Thema aufgegriffen. Zusätzlich zu aktuellen Produkten, zeigten wir auch Museumsstücke. Damit wollte ich ein schärferes Marken-Bewusstsein schaffen.

Derzeit existiert am Markt ein Überschuss an unterschiedlichen Designprodukten. Was halten Sie davon?

Im Augenblick haben wirdas Problem, mit der Inflation umgehen zu lernen. Selbst im Design findet sie statt. Der Wert sinkt automatisch, das findet auch auf Messen wie der iSaloni statt. Es stresst einen schon ein bisschen, hier merkt man ziemlich konzentriert, wie viel Zeug es gibt. Die Frage, ob man Produkt-Prototypen ausstellen soll oder nicht, stellt sich ständig. Kann man dieser Versuchung widerstehen? Es ist schwierig.

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Im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen haben Sie eine klassische Tischler-Lehre gemacht. Wie wichtig war Ihnen das?

Für mich war es ein wichtiger Anfang. In dieser Zeit habe ich eine ganze Menge an Dingen gelernt, von denen ich heute profitiere wie etwa: Man muss Geduld aufbringen können, bis ein Produkt fertiggestellt ist. Oder auch die handwerkliche Komponente: Man lernt mit dem Material umzugehen, heute hilft es mir beim Bauen von Prototypen, die werden dadurch einfach präziser.

Ein gutes Modell ist ein wichtiges Kommunikationselement, damit können wir unsere Ideen leichter erklären. Wenn solche Entwürfe benutzbar sind, dann können sie sehr überzeugend sein.

Manche Designer entwickeln eine Vorliebe für bestimmte Materialien. Hat Stefan Diez einen Liebling?

Es wäre falsch, zu sagen, dass man einen Liebling hat. Es ist viel mehr eine permanente Suche nach alten und neuen Materialien. Diese eröffnen uns die Möglichkeiten, neue Materialien kennenzulernen und diese etwa in einem neuen Kontext, Verfahren oder einer Anwendung zu kombinieren. Darin liegt oft auch eine neue Geschichte, die mich auf eine neue Gestaltung bringt – das interessiert mich.

Auf der anderen Seite finde ich, dass Holz noch immer Potenzial hat. Ein einfacher Holzstuhl ist ein unheimlich modernes Produkt und viel umweltfreundlicher.

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Nachhaltigkeit – in der Möbelindustrie noch immer ein Dauerbrenner. Wie stehen Sie dazu?

Designer und Medien haben dieses Thema irgendwie gepusht und gerade wieder neu erfunden. Jeder redet darüber, doch eigentlich ist das Thema, meiner Meinung nach, schon total durch. Das ist eine Selbstverständlichkeit und keine neue Errungenschaft. Diese Dauerdiskussionen führen unweigerlich zu einem inflationären Gebrauch. Die Wichtigkeit steht außer Frage, doch leider passiert gerade in diesem Bereich noch immer zu viel Bullshit.

Welche Tipps würden Sie Jungdesignern mit auf den Weg geben?

Ich hatte das Glück, dass ich mein Lehrgeld sehr viel später gezahlt habe. Am Anfang hatte ich mit Thonet, Rosenthal und Authentics Firmen gefunden, die in der Branche bekannt waren und sich mit Design bereits auseinandergesetzt haben. Am schwierigsten ist es, ein Unternehmen zu finden, mit dem man langfristig an einem Thema arbeiten kann.

Es ist sicherlich nicht leichter geworden, den richtigen Platz zu finden, sich zu beschränken und vielen Optionen zu widerstehen und "Nein" zu sagen.

Heute zu glauben, dass man mit Masse mehr Erfolg hat, halte ich für falsch. Dabei läuft man Gefahr, sich zu verzetteln. Man kann nicht gleichzeitig fünfzehn Geschichten erzählen. Das gibt es einfach nicht her.Wenn man sich intensiv mit einem Thema beschäftigt, dann muss man sich beschränken.

Zur Person

Stefan Diez, 41, galt viele Jahre als der vielversprechendste Nachwuchsdesigner Deutschlands. Seine Karriere startete er als Tischler. 1996 inskribierte er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und absolvierte das Studium für Industrie Design. Im Jahr 2002 gewann Diez gemeinsam mit Christophe de la Fontaine den "Design Report Award" der Salone Satellite in Mailand. Ein Jahr später öffnete er schließlich seine eigene Kreativ-Werkstätte und ist in verschiedenen Bereichen tätig – von der Einrichtung bis hin zur Tischklutur. Früh konnten die Entwürfe des deutschen Designers Firmen wie Authentics, Bree, e15, Established and Sons, Moroso, Rosenthal, Thonet oder Wilkhahn überzeugen.

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