Wissen/Wissenschaft

Was ein Sonnensturm im Jahr 1021 mit Amerikas Entdeckung durch die Wikinger zu tun hat

Nach Tagen auf hoher See stoßen die Entdecker auf Land. Es ist felsig und vereist, kein Ort zum Leben. Leif Erikson und seine Männer fahren weiter nach Süden. Vorbei an der heutigen kanadischen Provinz Labrador, taufen sie „Markland“ – Waldland. Endlich erblicken sie saftige Wiesen. Leif nennt die Gegend „Vinland“, also Weideland.

Die Weltenbummler richten sich häuslich ein, bauen 15 Meter lange, fensterlose Hütten, bedecken sie mit dicken Grasstücken – als Schutz gegen die Kälte. Sie bleiben. Wie lange? Keiner weiß es mit Sicherheit. Genauso wenig war bisher bekannt, wann genau die Wikinger Amerika entdeckt haben. Bis jetzt!

Denn nun konnte ein Forscherteam ermitteln, dass Wikinger exakt vor tausend Jahren – im Jahr 1021 –  in Nordamerika gelebt haben. Hölzerne Überreste haben es den Geochronologen Michael Dee und Margot Kuitems von der Universität Groningen verraten. Die Analyse wurde jetzt im Fachblatt Nature präsentiert.

Rückblick

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Neufundland 1960: Schon ewig ließ dem norwegischen Ehepaar Helge und Anne Stine Ingstad ein Gedanke keine Ruhe – wo lagen Helluland, Markland und Vinland, jene mythischen Orte, die in den Wikinger-Sagas erwähnt werden?  Dort wird über die Entdeckungsreisen der Wikinger nach Amerika berichtet. Jahrelang suchten die Ingstads die Ostküste Amerikas ab, verglichen die Landschaft mit den Beschreibungen in den Sagas. Bis ihnen ein Fischer aus Neufundland von überwachsenen Mauerresten nahe seinem Dorf L’Anse aux Meadows berichtete. Neun Jahre und knapp zehn ausgegrabene Gebäude später stand fest: Die Reste stammen von Skandinaviern der Wikingerzeit. Fast 500 Jahre vor Kolumbus hatten sich also tatsächlich wagemutige Grönländer aufgemacht, um neue Siedlungsräume im Westen des Atlantiks zu suchen.

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Dendrochronologie

Das exakte Alter der Siedlung konnte aber nicht bestimmt werden, ebenso wenig wie der genaue Zeitpunkt der Wikingerankunft auf dem Kontinent. Drei unscheinbare Holzstücke, die eben in L’Anse aux Meadows gefunden wurden, konnten das jetzt ändern: Die von unterschiedlichen Bäumen stammenden Überreste wurden von dem Team von der Universität Groningen genauer unter die Lupe genommen.

Dabei kam Dee und Kuitems zugute, dass sich genau im Jahr 992 n.Chr. ein massiver Sonnensturm tobte. Und der hinterließ deutliche Spuren im  Holz der Artefakte: „Der klare Anstieg der Radiokohlenstoffproduktion zwischen 992 und 993 n. Chr. wurde in Baumringarchiven auf der ganzen Welt festgestellt“, erklärt Forschungsleiter Dee. Jenes Signal habe sich bei jedem der drei untersuchten Holzobjekte 29 Wachstumsringe vor der Rindenkante gezeigt. Die Tatsache, dass sie das Signal des Sonnensturms 29 Wachstumsringe vor der Rinde gefunden haben, erlaubt den Forscher die  Schlussfolgerung, dass die Bäume, der verarbeitet wurden, im Jahr 1021 n. Chr. geschlägert wurden.

„dendron“ (= Baum), „chronos“ (= Zeit) und „logos“ (= Lehre)

  • Schon Leonardo da Vinci (1452-1519) hatte vermutet, dass die Jahresringe von Bäumen die klimatischen Wachstumsbedingungen wiedergeben.
  • Erst der  US-Astronomen Andrew Ellicott Douglass (1867-1962) begann, nach einem klimatischen Zusammenhang zwischen der Jahresringdicke und der Sonnenaktivität zu suchen. Er vermaß systematisch die Dicke der Jahresringe von Gelbkiefern. Die Ergebnisse trug er in ein Diagramm ein, mit dessen Hilfe er bald einen 585-jährigen Jahresring-Kalender erstellen konnte. Heute reicht dieser Kalender bis zum Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12.500 Jahren.
  • Die Jahresringe von Bäumen helfen nicht nur bei der Erforschung des vergangenen Klimas, sie können auch kosmische Ereignisse aufdecken. Denn immer dann, wenn besonders viele energiereiche kosmische Teilchen – wie eben bei Sonnenstürmen – auf die Erde treffen, steigt der C-14-Gehalt der Atmosphäre. Und das wird von den Bäumen in ihrem Holz konserviert.

Für die Wissenschafter steht fest, dass die hölzernen Artefakte den nordeuropäischen Seefahrern zuzuordnen sind – nicht nur wegen ihres Fundortes, sondern auch, weil sie eindeutige Bearbeitungsspuren von Klingen aus Metall aufwiesen. Und dieses Materials wurde von der einheimischen Bevölkerung jener Zeit nicht hergestellt.