Wissen/Wissenschaft

Warum die Templer rehabilitiert werden könnten

Spätestens seit Nicholas Cage 2004 als Benjamin Gates im US-Film "Das Vermächtnis der Tempelritter" unter der Trinity Church in New York den Schatz der Templer entdeckte, ist der mythenbehaftete Orden auch jenen ein Begriff, die nichts mit Religion am Hut haben. Trotzdem kann eine kleine Auffrischung des Wissens nicht schaden, ehe an dieser Stelle davon erzählt wird, dass ein
Salzburger Forscher die Geschichte der Tempelritter neu aufrollen will. Und das unter der Patronanz des Heiligen Stuhls.

Rückblick

Wir schreiben Freitag, der 13. Oktober 1307: Elitesoldaten von König Philipp IV. stürmen sämtliche Quartiere der Tempelritter in Frankreich. 600 Templer werden verhaftet, darunter der Großmeister Jacques de Molay. Die Anklage lautet auf Ketzerei, Anbetung von Dämonen und homosexuelle Handlungen.

Doch das ist nicht der wahre Grund. Lang haben die Templer hinter dem Rücken von Kirche und Königen eine Schattenweltmacht errichtet - das Heilige Land, weite Teile Deutschlands und des heutigen Polens, Spaniens und Frankreichs, die Insel Malta, Regionen in Griechenland, Italien und sogar Großbritannie standen unter ihrem Einfluss.

Doch das wucherndes Netzwerk der Macht blieb nicht unbemerkt. Es war vor allem die wirtschaftliche Überlegenheit, die die Templer zur Bedrohung für etablierte Machthaber werden ließ. Könige, Fürsten und selbst der Papst waren bei den Templern hoch verschuldet.

Falsche Anschuldigungen

In dieser Krisensituation planen König Philipp IV. und Papst Clemens V. ihren Coup. Mit falschen Anschuldigungen wurde der Orden zur verbrecherischen Organisation erklärt und verboten, seine Mitglieder gejagt und getötet. 1314 wurde der Großmeister Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen verbrannt – der Geheimbund ist zerschlagen. Das Weltreich der Tempelritter fällt an Fürsten und Päpste.

Salzburger Forscher haben im Jahr 2020 einen wichtigen Schritt zur Identifikation des Grabes des im 12. Jahrhundert verstorbenen Templer-Großmeisters Arnau de Torroja gemacht. Am Donnerstagabend starteten sie ein weitverzweigtes Forschungsnetzwerk, das die Geschichte mit neuen Methoden und Zugang zu vatikanischen Gemeinarchiven neu aufrollen will.

Alte DNA, neue Erkenntnisse

Hinter dem Projekt stehen der auf alte DNA spezialisierte Bioarchäologe Jan Cemper-Kiesslich vom Fachbereich Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie der Universität Salzburg und der ebenfalls an der Uni Salzburg tätige Rechtshistoriker Daniele Mattiangeli. Dass hier päpstliche Institutionen mit an Bord sind, sei bei einem derartigen Vorhaben ein Novum, sagte Mattiangeli. Es ermögliche den uneingeschränkten Zugang zu der apostolischen Bibliotheken:

Das ist auch die Besonderheit von diesem Netzwerk. Es gibt natürlich sehr viele Forschungsgruppen über die Templer, aber keine ist offiziell.

Daniele Mattiangeli
Rechtshistoriker an der Universität Salzburg

Die Wissenschafter hoffen auch auf eine größere Finanzierung ihrer Vorhaben etwa seitens der Vatikanbank.

Ausgangspunkt der Arbeit war ein Steinsarkophag. Dieser war mit Zeichen versehen, die stark auf einen dort begrabenen wichtigen Tempelritter schließen ließen. Aufgetaucht ist der Fund bei der Renovierung der Kirche von San Fermo in Verona. Mattiangeli und Cemper-Kiesslich beteiligten sich daraufhin ab Herbst 2019 an den Analysen, im Zuge derer das Sterbejahr des Bestatteten auf einen Zeitraum zwischen 1166 und 1259 eingegrenzt werden konnte. In dem Zeitfenster liegt auch der überlieferte Tod des einstigen Templer-Großmeisters Arnau de Torroja (1184).

Zur Person

Der nun in Verona entdecke Verstorbene war überdies Rechtshänder und zum Todeszeitpunkt zwischen 50 und 70 Jahre alt. All das passe sehr gut zu allem, was man heute über die historische Figur des einflussreichen Templers weiß.

Um diese Hinweise abzusichern, bedarf es weiterer Erbgutanalysen von Verwandten des fraglichen Mannes. Man weiß, dass mögliche Mitglieder der Familie Torroja in einigen katalanischen Städten und in ehemaligen Templerburgen bestattet wurden. Dorthin wird den „molekularen Archäologen“ Cemper-Kiesslich auch die nächste Reise führen, um Erbgutspuren etwaiger Verwandter aufzuspüren.

Wissenschaftliche Fakten

Neben den spannenden bioarchäologischen Fragen gilt es auch eine schier ewige rechtshistorische Grundfragestellung zu klären: Anfang des 14. Jahrhunderts waren es vermutlich die wachsende Macht, der Einfluss und der Reichtum des ursprünglichen Ordens, der gewissermaßen als militärische Eliteeinheit fungierte, der ihm einen aufsehenerregenden, langwierigen Prozess bescherte. Dies führte letztlich de facto zur Auflösung des Ordens. Mattiangeli und Kollegen spüren derzeit päpstliche Bullen in diversen Archiven auf, die sich mit dem Problem befassen. „Wir versuchen, die ganze Geschichte der Templer rechtshistorisch zu rekonstruieren“, sagt der Historiker. Hier gehe es um die wissenschaftliche Rekonstruktion anhand von Dokumenten und nicht um „Gerüchte oder esoterische Sagen“.

Aufhebung nichtig?

Mattiangeli sieht bereits Hinweise, dass die Aufhebung des Ordens tatsächlich nichtig sein könnte. Darauf würden in Barcelona und im französischen Dijon gefundene Dokumente hinweisen. Bei einer dieser Bullen könnte es sich um eine Fälschung handeln, die den oft auch populärkulturell abgehandelten Stoff in einen komplett neuen Kontext stellen könnte. „Es könnte sein, das die Templer historisch rehabilitiert werden“, ob das am Umgang mit den zahlreichen Nachfolgeorganisationen etwas ändert, sei aber letztlich eine Entscheidung des Papstes, sagte Mattiangeli.

Der Historiker wird in der kommenden Woche auch ins italienische Ferrara reisen, wo sich erst kürzlich ein Gebein-Fund aufgetan hat, der auf den ersten Templer-Großmeister, Hugo von Payns, hinweisen könnte. Würde sich dieser Verdacht erhärten „wäre das meiner Meinung nach nicht ohne“ und „eine wirkliche Sensation“.