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Klimawandel "verdünnt" Quecksilberbelastung von Fischen nicht

Quecksilber reichert sich in der Nahrungskette an. Dabei gilt: je höher in der Nahrungskette ein Tier steht und je älter und größer es ist, desto höher der Quecksilbergehalt. Bei Fischen wird allerdings im Zuge des Klimawandels diskutiert, ob sie durch die höheren Wassertemperaturen nicht schneller wachsen und dadurch die Belastung quasi verdünnt wird. Dem ist allerdings nicht so, berichtet der Biologie Günter Köck mit Kollegen im Fachjournal Environmental Pollution.

Günter Köck vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der Anreicherung von Schwermetallen in Fischen und den Einflüssen von Klimaveränderungen auf die Tiere. Das metallische Quecksilber gelangt aus Industriegebieten über die Atmosphäre in Gewässer - selbst bis in arktische Regionen. Im Wasser wird es durch Mikroben in hochgiftiges Methylquecksilber umgebaut. In dieser Form gelangt es sehr leicht in die Zellen von Lebewesen und reichert sich in der Nahrungskette an.

Der "Verdünnungs"-Hypothese zufolge würden die Fische durch den Klimawandel, den damit einhergehenden höheren Wassertemperaturen und der kürzeren Zeit, in der die Seen mit Eis bedeckt sind, schneller wachsen. Dadurch könnte sich ihre Quecksilberbelastung durch Verdünnung vermindern.

Höhere Konzentrationen bei Fischfressern

Köck hat nun gemeinsam mit kanadischen Kollegen den Einfluss des Alters, der Nahrung und der Wachstumsraten auf die Quecksilberbelastung von Bach- und Seesaiblingen aus zwölf Seen in der kanadischen Arktis untersucht. Bachsaiblinge gelten dabei als schnellwachsend und kurzlebig, sie erreichen eine Länge von 30 Zentimetern nach etwa fünf Jahren. Seesaiblinge leben dagegen deutlich länger, wachsen langsamer und erreichen die selbe Größe erst nach etwa 15 Jahren. Bei beiden Arten gibt es aber individuelle Unterschiede in der sogenannten "trophischen Position": Manche Individuen ernähren sich vor allem von Fisch, während andere vor allem Plankton oder Insektenlarven fressen. Damit geht aber auch ein unterschiedliches Größenwachstum einher.

"Wir konnten in unserer Studie keinen Verdünnungseffekt feststellen", erklärte Köck gegenüber der APA. Bei der Analyse der individuellen Unterschiede zeigte sich, dass schnellwachsende Seesaiblinge, die vor allem Fisch fressen, höhere Quecksilber-Konzentrationen aufweisen, als langsam wachsende Artgenossen, die sich von Plankton und Larven ernähren. Der Grund ist, dass die Nahrung der schnellwachsenden Tiere nicht nur mehr Energie aufweist als jene der langsamwachsenden Artgenossen, sondern auch eine höhere Quecksilberbelastung. Bei den Bachsaiblingen konnten die Forscher dagegen keine Unterschiede zwischen schnell- und langsamwachsenden Individuen feststellen.

Zumindest bei Seesaiblingen und in Seen mit einfachen Nahrungsketten, wie sie typisch sind für die Arktis, kommt also der Verdünnungseffekt durch schnelleres Wachstum nicht zum Tragen. "Der wichtigste Faktor bezüglich Quecksilber-Konzentration ist eindeutig das Alter", so Köck, "bei gleicher Länge haben ältere Fische höhere Konzentrationen als jüngere."

Den Forschern zufolge haben Umwelteffekte, die sich auf die Verfügbarkeit von Quecksilber für die Nahrungskette auswirken, langfristig einen stärkeren Einfluss auf die Quecksilber-Anreicherung als schnelleres Wachstum durch höhere Wassertemperaturen.

So hat Köck im Rahmen des von ihm initiierten, seit mehr als 20 Jahren laufenden österreichisch-kanadischen Forschungsprojekts "High-Arctic" gezeigt, dass in der kanadischen Arktis, wo sich die Durchschnittstemperatur seit dem Jahr 2000 um über 2,5 Grad Celsius erhöht hat, viel mehr Schmelzwasser in die Seen fließt und damit auch der Eintrag von Sediment, Kohlenstoff und Schadstoffen wie Quecksilber in die Seen steigt. Vor allem der gelöste organische Kohlenstoff verbessert die Lebensbedingungen der Bakterien, die damit mehr Quecksilber umbauen und so die Verfügbarkeit des giftigen Metalls für Fische erhöhen.

Für ihre Studien können die Forscher auf langjährige Vergleichsdaten aus mehreren arktische Seen zurückgreifen. Aufgrund der COVID-19-bedingten Einschränkungen mussten sie ihre jährliche Arktis-Forschungsexpedition absagen und befürchteten, dass die seit 1997 durchgehende Datenserie unterbrochen wird. Mit Hilfe der langjährigen Projekt-Mitarbeiterin Debbie Iqaluk aus der Inuit-Siedlung Resolute Bay im Süden der Cornwallis-Insel gelang es aber, auch heuer wieder Daten zu sammeln. "Wir sind Debbie zu allergrößtem Dank verpflichtet, sie hat auf eigene Faust unter schwierigen Bedingungen die wichtigsten Seen im Umkreis von Resolute Bay für uns befischt", so Köck, der übrigens kürzlich zum Vize-Vorsitzenden des International Coordinating Council des "Man and the Biosphere (MAB)"-Programms der UNESCO gewählt wurde. Er vertritt damit die Region "Europa und Nordamerika" in dem Programm.