Das Massaker von Rechnitz
Diese Geschichte hat alle Zutaten eines Thrillers: Eine Gräfin, die beim Erschießen zwar nicht dabei war, aber den Tätern zur Flucht verhalf. Fast 200 jüdische Zwangsarbeiter, die gemeuchelt, zwei Kronzeugen, die ermordet wurden, ehe sie im Prozess nach dem Krieg aussagen konnten.
Ende 1944 zwang man tausend ungarische Juden, Roma und Sinti, an der österreichisch-ungarischen Grenze am „Südostwall“, einer Befestigungsanlage gegen die heranrückende Rote Armee, mitzuarbeiten. Im Frühjahr 1945, als die Russen vor Rechnitz standen und die SS sich auf die Schlacht vorbereitete, wurde in der Nacht zum Palmsonntag im Schloss Rechnitz von Margit von Batthyány (Tante von Francesca Habsburg) ein Fest veranstaltet, zu dem mehr als dreißig Personen geladen waren – aus der örtlichen NSDAP, der SS, der Gestapo und der Hitlerjugend. Es wurde viel getrunken. Um Mitternacht brachte man zweihundert halb verhungerte, als arbeitsunfähig eingestufte Juden mit Lastwagen zum Kreuzstadel, einer nahe gelegenen Scheune. NSDAP-Ortsgruppenleiter Franz Podezin versorgte fünfzehn Gäste mit Waffen und lud sie ein, „ein paar Juden zu erschießen“.
Verscharrungskommando
Die Opfer wurden von 16 Gefangenen begraben, die man eigens dafür verschont hatte. Tags darauf wurden auch sie erschossen. Das Grab dieses sogenannten Verscharrungskommandos war das einzige, das man nach dem Krieg gefunden hat.
Die anderen 180 NS-Opfer blieben verschollen. Auch weil zwei Kronzeugen 1946 ermordet wurden. Der eine hatte beim nächtlichen Fest den Gästen die Waffen ausgehändigt. „Es war definitiv Mord“, sagt Historiker Kornel Trojan. „Er wurde erschossen und die Patrone gesichert. Sie ist noch am selben Tag auf dem Gendarmerieposten verschwunden.“ Auch auf den zweiten Zeugen wurde gefeuert, als er mit dem Auto unterwegs war. Er kam von der Straße ab und starb. Alle Untersuchungen endeten im Nichts. Unter der Bevölkerung machte sich Angst und Schweigen breit.