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Artenverlust: Wenn sich Neuankömmlinge allzu breit machen

Die Robinie gilt hierzulande als Alien. Die gebürtige Nordamerikanerin macht sich seit Jahren in Österreich breit. Da sie sehr salz- und immissionstolerant ist und auch gut mit Hitze und Trockenheit zurechtkommt, schafft sie es schnell in die Höhe und verdrängt damit ortsansässige Arten. Dazu überdüngt der Baum den Boden, was den Wuchs von Brennnesseln und Holunder begünstigt, zarteren Pflänzchen aber die Lebensgrundlage nimmt.

Drastische Ausmaße

Ob eingeschlepptes Grünzeug, fremder Mikroorganismus oder eingewandertes Tier – Bioinvasoren werden in Zukunft heimische Ökosysteme ordentlich aufmischen. Wissenschafter der Uni Wien kommen in einer aktuellen Studie zu dem Schluss, dass ein Anstieg von 20 bis 30 Prozent an Neuankömmlingen bis 2050 global zu drastischen Biodiversitätsverlusten führen wird.

Umfrage unter Experten

„Wir haben 50 Experten in der ganzen Welt angeschrieben, 36 haben geantwortet“, sagt Bernd Lenzner vom Department für Botanik und Biodiversität. Die Auswertung der standardisierten Umfrage zeigt ein einheitliches Bild – nämlich dass die kritische Grenze für eine massive Bedrohung über alle Regionen hinweg relativ niedrig liegt.

Mensch als Ursache

Auch über die Hauptgründe für das Artensterben sind sich die Forscher rund um den Erdball einig: „Der Warentransport ist jetzt schon ein wichtiger Treiber, das wird in Zukunft noch zunehmen“, sagt Lenzner und zählt darüber hinaus den Klimawandel, das wirtschaftliche Wachstum und den Tourismus als Störfaktoren im Gleichgewicht der Natur auf; alles menschengemacht.

2.000 Neobiota in Österreich

Schon jetzt sind in Österreich rund 2.000 gebietsfremde Arten bekannt, schätzt das Umweltbundesamt, das entspricht rund drei Prozent der Gesamt-Artenzahl. Manche kommen über die Grenzen geflogen und bringen Appetit oder Parasiten mit. Andere reisen mit Zierpflanzen in ihre neue Heimat. Auch im Profil von Schuhen werden neue Gebiete erobert.

Manche richten Schaden an

Dabei richten nicht alle Einwanderer ökologischen bzw. ökonomischen Schaden an. Die EU führt seit 2016 eine Liste unerwünschter Gäste. Zwischen Boden- und Neusiedler See sollen demnach 25 der 66 genannten Arten an der Ausbreitung gehindert werden.

„Der Asiatische Marienkäfer verdrängt die meisten heimischen Marienkäfer-Arten. Die größeren Larven fressen die kleineren auf“, sagt Studien-Erst-Autor Franz Essl. Der ursprünglich als Blattlausjäger gezüchtete Helfer in Glashauskulturen konnte sich rasch in ganz Europa etablieren. Dabei hat er sich als gefräßiger Räuber und Nahrungskonkurrent zum Schädling entwickelt.

„Der Tigermoskito war vor zehn Jahren noch nicht da“, kennt Essl ein weiteres Beispiel. Mittlerweile fliegt der Krankheitsüberträger auch in Großstädten wie Wien und Graz. Der Klimawandel macht der Stechmücke das Überleben leicht.

Politik muss reagieren

„Ein Anstieg um 20 bis 30 Prozent an invasiven Arten dürfte schon bald erreicht sein“, resümiert Lenzner: „Wir haben die Mechanismen für den Best-Case und den Worst-Case identifiziert. Jetzt muss es einen politischen Diskurs geben.“

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