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Waffen gegen Krebs: Gentests bald Standard

Die Behandlung von Krebs wird gerade revolutioniert: Neue Technologien ermöglichen die immer schnellere und billigere Entschlüsselung der Gene – das wird die Zukunft der Diagnose und Therapie maßgeblich verändern. Speziell in der Behandlung von Krebs steht die Medizin vor großen Fortschritten .

Schon bald könnte das richtige Medikament gegen bösartige Tumore mittels DNA-Analyse genauso schnell und einfach ermittelt werden, wie das richtige Antibiotikum gegen eine Bakterieninfektion – per Blutuntersuchung. Das berichtete die New York Times.

Beispielgebend dafür ist der Fall von Lukas Wartman, Genforscher an der Washington University. Er leidet an adulter akuter lymphatischer Leukämie. Als alle Therapien versagten, erstellten seine Kollegen eine komplette Gen-Analyse seines Krebses und seiner RNA. Diese ist dafür verantwortlich, wie viel von der DNA in Proteinen übersetzt wird.

Die Forscher wurden rasch fündig: Ein überaktives Gen produzierte zu viele Proteine und ließ den Krebs wachsen. Wartman bekam ein neues Medikament, das eigentlich für fortgeschrittenen Nierenkrebs zugelassen ist. Er war der Erste, der es gegen Leukämie erhielt – das rettete ihm im Herbst vergangenen Jahres das Leben.

"Der Krebs wird nicht vom Gewebe, wo er entsteht bestimmt, sondern von den Genen", betonen daher die Wissenschaftler. Heißt: Der Brustkrebs einer Frau könne durch eine Gen-Mutation mehr mit dem Prostatakrebs eines Mannes gemeinsam haben als mit dem Brustkrebs einer anderen Frau. Timothy Ley, vom Institut für Genetik an der Washington University, erklärt: "In den vergangenen 40 Jahren haben wir Generäle in den Krieg gegen Krebs geschickt, ohne das Schlachtfeld zu kennen. Was wir jetzt tun, ist eine Landkarte davon zu erstellen."

Individuell

Der Einsatz von Genanalysen gehört auch in Österreich bereits zum Alltag und wird die Medizin von morgen prägen. Der Genetiker Univ.-Prof. Markus Hengstschläger meint dazu: "Es ist erst der Beginn, aber darin steckt die Zukunft der nächsten zehn Jahre, weil die Methoden immer schneller und günstiger werden."

Der Krebsspezialist Christoph Zielinski von der MedUni Wien beschreibt den Einsatz von Gen-Analysen: "Bei unseren Patienten wird je nach Krebsform bereits routinemäßig per gezielter Gen-Analyse nachgesehen, welche Mutationen ( Veränderungen) von Bedeutung sind. Es geht darum, das biologische Verhalten des Krebses über die anatomischen Grenzen hinweg zu erkennen und zu beeinflussen." Je nach Mutation ist die jeweilige, über Studien bewiesene, Behandlung die erste Wahl. "Sind die konventionellen Therapien ausgeschöpft, besteht die Möglichkeit, eine umfassende Gen-Analyse zu machen und einen individuellen Zugang zu wählen."

Hengstschläger: "Lange Zeit wurden wenige zur Verfügung stehende Medikamente hintereinander ausprobiert – in der Hoffnung, dass eines wirkt." Was jetzt gemacht wird, bezeichnet er als Tumor-Profiling: "Es wird ein Profil des Tumors erstellt, um die ideale Therapie zu finden." Dieses Prinzip wird laut Hengstschläger die gesamte Medizin verändern: "Bevor ich jemandem ein Medikament gegen Depression verschreibe, kann ich seine individuellen Anlagen überprüfen, worauf er überhaupt ansprechen würde." So stellt sich auch Francis Collins, Genetiker und Leiter des National Institute of Health in den USA, die Zukunft der Medizin vor: "Das entschlüsselte Erbgut wird bald Teil der elektronisch gespeicherten Patientenakte. Es wird von medizinischen Fachleuten genutzt, um vielfältige Entscheidungen zu treffen – zur Diagnostik, der Verschreibung von Medikamenten und zur Prävention von Krankheiten."