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Video: So schnell ertrinkt ein Kind

Sie kann nicht schreien. Sie kann nicht Wasser spritzen. Sie kann nicht atmen. Sie braucht Hilfe."

Mit einer Kampagne räumt der US-FernsehsenderFox9mit einem lebensgefährlichen Irrglauben auf, nämlich dass man das Ertrinken eines Kindes mitbekommt. Denn: Wenn ein Kind ertrinkt, macht es kein Geräusch. Es ruft nicht um Hilfe und es wedelt nicht mit den Armen wie in Baywatch. Es geht einfach leise unter. Nach zwei unbeobachteten Minuten ist das Kind tot. In einem Video können jetzt Eltern sehen, wie Kinder still untergehen.

In einem dramatischen Experiment weist das Video Eltern auf die Gefahr hin. Mitten in einem Wassersport-Kurs vor den Augen der aufmerksamen Eltern "spielte" ein Kind, es würde untergehen. Es fiel niemandem der Anwesenden rund um den Pool und im Wasser auf. Erst nach 24 Minuten bemerkte ein anderes Mädchen das "untergegangene" Schauspieler-Kind.

Erste Hilfe

Jeden Sommer ertrinken Kinder, oft sogar neben Erwachsenen. Im Schnitt sterben in Österreich jährlich acht Kinder unter fünf Jahren im Wasser - oft passieren die Badeunfälle in einem unbeobachteten Moment. "Wenn man ein Kind im Wasser treiben sieht, müssen rasch Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet werden. In Wien dauert es im Schnitt zehn bis zwölf Minuten bis die Rettung eintrifft – ohne vorherige Wiederbelebung haben Kinder kaum eine Chance zu überleben", sagt Mario Krammel, Notfallmediziner im AKH Wien.

Bei der Ersten Hilfe geht man in drei Schritten vor: Prüfen, Rufen und Drücken. Zunächst wird geprüft, ob das Kind ansprechbar ist und ob es atmet. Ist das nicht der Fall, muss Hilfe gerufen werden, einerseits die Rettung, andererseits indem umstehende Personen aufmerksam gemacht werden. "Drücken meint die Herz-Druck-Massage. Dazu den Brustkorb in der Mitte etwa ein Drittel der Brustkorbtiefe eindrücken. Es gilt die Faustregel: 30 Mal drücken, zweimal beatmen", so Krammel. Wen die 30 Mal Drücken irritieren, der hat wahrscheinlich im Erste-Hilfe-Kurs noch 15 Mal drücken bei Kindern gelernt. Krammel: "Wenn man vorher noch nie mit einer Herz-Druck-Massage zu tun hatte, kann man sich ruhig 30 Mal merken, genau wie bei einem Erwachsenen. Viele haben große Angst etwas falsch zu machen, deshalb ist es einfacher, sich die Zahl 30 für Erwachsene und Kinder einzuprägen." Falsch machen könne man aber nichts. Im Zweifel hilft auch die Rettung via Telefon bei der richtigen Reanimation des Kindes.

Je mehr Zeit vergeht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit irreversibler Schäden. Nur ungefähr drei Minuten kommt das Gehirn ohne Sauerstoff aus. Je Minute, wo nichts passiert, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent. Schon geringe Wassertiefen von zehn bis 20 Zentimeter können für Kleinkinder zum Verhängnis werden. Durch den sogenannten Vagus-Reflex, bei dem die Kinder in eine Art Schreckstarre verfallen, verlaufen die meisten Ertrinkungsunfälle lautlos.

Auch wenn das Kind nach dem aus dem Wasser ziehen ansprechbar ist, sollte es von einem Kinderarzt untersucht werden. Bis zu 24 Stunden nach dem Unfall kann Wasser in der Lunge die Sauerstoffversorgung beeinträchtigen und sogar zum Tod führen, auch wenn das Kind anfangs normal wirkt.

Beobachten

„Kinder sollte man im und am Wasser nie aus den Augen lassen. Wenn kleine Kinder verschwunden sind, immer zuerst dort suchen, wo Wasser ist“, so Günter Fasching, Primarius für Kinderchirurgie am Klinikum Klagenfurt. „Als Poolbesitzer trage ich nicht nur für meine, sondern auch für andere Kinder die Verantwortung“, erklärt der Kärnten-Leiter von „Große schützen Kleine“, einer Organisation für Kindersicherheit. Biotope, Pools und Fischteiche sollten mit Zäunen gesichert werden. Im Gegensatz zu Frankreich ist das in Österreich noch nicht gesetzlich verpflichtend“, kritisiert Fasching. Auch auf den Pool-Alarm dürfe man sich nicht verlassen, betont das Kuratorium für Verkehrssicherheit jedes Jahr. Obmann Othmar Thann: „Denn bei Ertrinkungsunfällen zählt jede Sekunde“.

Nicht einmal Schwimmkurse sei ein sicherer Schutz vor dem Ertrinken, warnt Fasching: „Erst im Alter von rund zehn Jahren kann man davon ausgehen, dass die Kleinen aufgrund ihrer Kraft, der Routine und der motorischen Koordinationsfähigkeit sichere Schwimmer sind.“

Vorwarnen

„Eltern können aber bereits einem Kleinkind erklären, dass Wasser gefährlich ist, wie auch eine Straße", rät KURIER-Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger. ,Du darfst nie alleine zum Wasser gehen‘ – das versteht ein Kind schon früh.“

Erst im Volksschulalter sei dem Kind eine gewisse Selbstverwaltung möglich, so Leibovici-Mühlberger: „Da muss ich nicht mehr ständig hinterherlaufen. Aber ich sage dem Kind: ,Bevor du schwimmen gehen willst, sagst du es mir.‘ Und darauf muss ich mich verlassen können – sonst habe ich ein gravierendes Problem bei der Weisungsbefolgung.“

Den Größeren sollten die Eltern vier Wassersicherheitsregeln beibringen, sagt Fasching: „Schwimm niemals alleine. Tauche nicht in unbekannte Gewässer. Stoße andere nicht und spring nicht auf sie. Und zu guter Letzt: Vergewissere dich, wo du im Notfall Hilfe bekommst.“

Das Video finden Sie hier...

Sichtkontakt: Bei Kinder unter vier Jahren sollte immer ein Erwachsener zuständig für die Beobachtung und in unmittelbarer Nähe sein.

Ablenkung: Lassen Sie sich nicht von anderen Eltern oder dem Handy ablenken.

Schwimmbecken: Kontrollieren Sie nicht nur die Wasseroberfläche, sondern auch unter Wasser.

Begleitperson: Kinder sollten niemals alleine schwimmen, nicht einmal Teenager. Immer sollte jemand in der Nähe sein.

Suchverhalten: Wenn man sein Kind nicht gleich sieht, immer als erstes das Schwimmbecken kontrollieren.

Telefon: Für den Notfall sollte ein Handy in der Nähe sein, dann muss sofort die Rettung unter 144 gerufen werden.

Beatmen: Erste Hilfe ist der wichtigste Faktor zum Überleben.

Schutz: Jeder private Pool einer Familie sollte gesichert sein.

Schwimmkurs: Kinder sollten ordentlich schwimmen lernen. In Wien geschieht das in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz jedenfalls in der 3. Klasse Volksschule, in einem neuen Projekt sogar in der 2. Klasse. Aber Achtung: Auch das ist keine Garantie, etwa wenn ein Kind unvermittelt ins Wasser fällt oder im Wasser einen Unfall hat.

Kinder ausbilden: Gemeinsam mit dem Verein Puls zur Bekämpfung des plötzlichen Herztodes setzt sich Notfallmediziner Krammel dafür ein, dass schon die Jüngsten Erste Hilfe lernen. "Kinder haben viel weniger Scheu als Erwachsene, etwa eine Herz-Druck-Massage auszuprobieren. Es geht darum, ihnen die Selbstverständlichkeit des Helfens beizubringen, damit sie im Notfall rasch einschreiten können“, so Krammel. Unter dem Titel "Leben retten macht Schule" finden in Wiener Schulen in der dritten Klasse Volksschule Kurse statt, die die Angst vor Erster Hilfe nehmen sollen.