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Sind gestillte Kinder klüger?

Beim Lesen der in der renommierten Medizinzeitschrift Lancet veröffentlichten Studie aus Brasilien fühlen sich Frauen, die ihr Kind nicht stillen konnten oder wollten, wie Rabenmütter.
Forscher der südbrasilianischen Universität Pelotas untersuchten die Entwicklung von 3500 Neugeborenen über einen Zeitraum von 30 Jahren und kamen zu dem Schluss: Wer als Baby mindestens ein Jahr lang gestillt wurde, hatte als Erwachsener durchschnittlich vier Punkte mehr auf der IQ-Skala. Zufüttern schmälerte den Effekt etwa um die Hälfte. Zudem war das Einkommen der gestillten Probanden um etwa ein Drittel höher. Bei dem Ergebnis haben die Forscher Faktoren herausgerechnet, die diese Entwicklung beeinträchtigen könnten – etwa den sozialen Status der Familie, den Bildungsgrad der Eltern oder Rauchen in der Schwangerschaft.
Das Ergebnis ist nicht ganz neu, bisherige Studien wurden aber wegen Ungenauigkeiten kritisiert. Und dass Stillen gesund ist, ist unumstritten – es stärkt die Abwehrkräfte, schützt vor Allergien und möglicherweise sogar vor Übergewicht. Zudem wird das Brustkrebsrisiko der Mutter gesenkt.
Der Trend zum Stillen hat inzwischen sogar in die sozialen Medien Eingang gefunden – Mütter aus aller Welt posten Brelfies, Fotos von sich beim Stillen. Auf Facebook, wo Brust-Fotos bisher entfernt wurden, toleriert man jetzt Bilder vom Stillen.

Kollektives Wissen

Sind Mütter, die ihre Kinder nicht stillen, jetzt böse? „Nein“, sagt Anita Schoberlechner, Präsidentin des österreichischen Verbands der Still- und Laktationsberaterinnen (www.stillen.at). „Ich will weg davon, dass ein Weg böse ist und der andere gut. Man muss für jedes Kind eine individuelle Lösung finden.“
Das Problem sei, dass das kollektive Wissen zum Stillen in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen ist. Eine Zeit lang galt es als nobel, seinem Kind Kuhmilch zu geben. Mit der Industrialisierung übergab man das Neugeborene der Krankenschwester – Prä-Nahrung gewann damit immer mehr an Bedeutung und das Vertrauen in den eigenen Körper ging verloren.
Schoberlechner: „Viele Mütter wissen heute nicht mehr, dass sie in den ersten Tagen oft nur ein paar Tropfen Vormilch produzieren. Dieses Colostrum ist besonders wichtig für das Immunsystem und sehr nährend.“ Die Milchbildung wird dann sehr stark über das Kuscheln und Anlegen angeregt. Das ist besonders nach einem Kaiserschnitt wichtig, um die Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin zu unterstützen – wer sich zu viel Druck macht, schüttet allerdings Stresshormone aus und bewirkt das Gegenteil. Es kommt nichts raus. „Wenn sie die (Vor-)Milch nicht sehen, haben Mütter oft Angst, dass das Baby verhungert. Es ist hierbei auch heikel, sich mit anderen zu vergleichen, weil jede Situation anders ist. Es braucht Mut und Vertrauen in den eigenen Körper.“


Persönlicher Entschluss

Ob ein Kind gestillt wird oder nicht, sollte laut Schoberlechner von Mutter und Familie entschieden werden. „Für mich geht es beim Stillen darum, Bedürfnisse zu stillen – vom Hunger bis zur Bindung. Das geht auch mit einem Fläschchen und richtigem Halten. Dabei sollten Eltern gut beraten werden – auch die Väter“, sagt Schoberlechner und kritisiert, dass Stillberatung von den Kassen nicht ersetzt und dass die Zusatzausbildung auch nicht extra honoriert wird.
„Viele glauben, sie sind eine schlechte Mama, wenn sie nicht stillen können oder wollen. Es gibt beim Stillen nicht nur schwarz und weiß, sondern viele Möglichkeiten dazwischen. Gut kann nur der Weg sein, der der Familie guttut.“

Alkohol in der Schwangerschaft schädigt das Ungeborene – das bestätigt erneut eine Studie des deutschen Robert-Koch-Instituts. Umso erstaunlicher, dass dies 44 Prozent der Deutschen nicht wissen. Und laut den Studienautoren trinkt sogar jede fünfte werdende Mutter gelegentlich Alkohol. Für Experten ist der Verzicht jedoch unbedingt nötig, um das im Grunde vermeidbare, sogenannte „Fetale Alkoholsyndrom“ zu verhindern. „In der Schwangerschaft wird absoluter Alkoholverzicht empfohlen“, sagt Univ.-Doz. Nadja Haiden, Neonatologin an der MedUni Wien. „Je öfter und je höher die Dosis, desto möglicher sind Schäden.“ Diese können im schlimmsten Fall direkt sichtbar sein (zu kleiner Kopf, zu kleines Gehirn, Missbildungen) oder sich erst über die Jahre als Verhaltensauffälligkeiten (Aggressionen, ADHS, Orientierungslosigkeit) zeigen.
Manche Empfehlungen, etwa in Großbritannien, gestehen Schwangeren geringe Mengen Alkohol zu. Gerade dort gibt es jetzt allerdings Widerstand. Kürzlich kamen Forscher der Queens Uni Belfast zum Schluss, dass bereits ein halbes Glas Wein bleibende Schäden beim Baby anrichten kann. Dadurch werden Atmung und Bewegungen des Kindes für zwei Stunden gelähmt.

Nichts sieht idyllischer aus als eine Mutter, die in trauter Zweisamkeit ihr rosiges Baby stillt. Viele Jung-Mütter haben genau dieses Idealbild vor Augen. Auch die natürliche Geburt steht auf der To-do-Liste solcher ambitionierter Mütter. Doch bei manchen geht es nicht ohne Kaiserschnitt, und die Milch strömt nicht wie gewünscht. Ein Schock für viele Frauen. Sie quälen sich lieber durch Brustentzündung, hungrige Schreibabys und nervenaufreibende Zwei-Stunden-Still-Intervalle, als sich einzugestehen, dass das Stillen bei ihnen nicht passt.
So manche sitzt dann heulend im perfekten Kinderzimmer und weiß nicht weiter.
Früher, als man noch ein ganzes Dorf hatte, um ein Kind zu erziehen, gab es Mutter, Cousine oder Nachbarin, die mit guten Tipps beim Stillen halfen. Oft nahmen sie damit ein wenig Spannung aus der Situation.
Heute erwartet die Leistungsgesellschaft, dass Mütter ihre natürlichen Ernährungsaufgaben perfekt bewältigen. Dabei müsste man ihnen sagen: „Ihr seid ebenso gute Mütter, wenn ihr alle vier Stunden das
mit Liebe vorbereitete Milchpulver-Fläschchen gebt. Und eure Kinder satt und glücklich macht. Damit sie gesund und erfolgreich werden.“

Die Brust zeigen oder nicht? Mit dieser Frage sind stillende Mütter oft konfrontiert, spätestens dann wenn sie beim Stillen in der Öffentlichkeit kritische Blicke ernten. Das Thema Stillen im Park, dem Einkaufszentrum oder in der U-Bahn teilt in Befürworter und Gegner. Erstere, für die Stillen das Natürlichste der Welt ist, starteten jetzt einen neuen Internet-Trend auf Twitter. Sie stellen unter dem Hashtag #brelfie Fotos online, die sie beim Füttern mit der Brust zeigen. Sie demonstrieren damit auch dagegen, dass auf Facebook Stillfotos bis vor kurzem verboten waren. Das Schlagwort setzt sich aus den englischen Wörtern "BREastfeeding" (deutsch: die Brust geben) und "SeLFIE" (Selbstporträt) zusammen. Sie wollen mehr Akzeptanz für stillende Mütter erreichen.

Erster Erfolg

Mit der #brelfie-Aktion erreichten die Mütter einen ersten Erfolg: Ab sofort sind auf Facebook Stillfotos erlaubt. Ebenfalls erlaubt sind Bilder von Brüsten nach einer Masektomie. Andere Brustfotos werden nach wie vor gelöscht. Das Soziale Netzwerk hat dem Druck nachgegeben und die Richtlinien geändert.