Weltbevölkerung wird immer älter
Von Martin Burger
Bernhard Scheucher versteht nicht, was an einem Seniorenteller verwerflich sein soll. "Es gibt ja auch Kinderteller. Unsere Gäste sind jedenfalls hocherfreut", sagt der Vorarlberger Gastronom (Café-Restaurant Backstuba), der einen 10-prozentigen Altersrabatt gewährt. Auch wenn so manchem, der, geistig und körperlich vollfit, an der Schwelle zum Pensionsantritt steht, allein vor der Vorstellung graut, nur mehr halbe Portionen zu bestellen – eins steht fest: die Menschheit altert, und zwar nicht nur in reichen, sondern, einem Bericht im New Scientist zufolge, auch in den armen Ländern.
Der Alterungs-Index "Global Age Watch" hat die Lebensqualität der Menschen über 60 bewertet. Berücksichtigt wurden die Einkommenssicherheit, Gesundheit und Lebensumfeld. Österreich schneidet im Länderranking mit Platz 14 sehr ordentlich ab, Punktabzüge gibt es wegen der schlechten Jobaussichten für ältere Menschen hierzulande. Am besten sind die Lebensbedingungen in Norwegen, am schlechtesten in Afghanistan, Mosambik und in den Palästinensergebieten.
Aber: Die Welt ist schlecht auf ihre neuen Alten, die sogenannten "Silver Surfers" – auch "Golden Generation" genannt – vorbereitet. Sie nützt laut einer Studie des internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse IIASA in Laxenburg die positiven Effekte der Überalterung viel zu wenig, diskutiert lediglich über Golden Handshakes und den drohenden Kollaps der Sozialsysteme. Ältere Menschen mit längerer Lebenserwartung würden ihren vorhandenen oder angesparten Wohlstand mit jüngeren Generationen teilen, die steigende Lebenserwartung komme auch längerer Gesundheit gleich und damit höherer Lebensqualität. Und nicht zuletzt würde sich das Verhältnis von Arbeits- zu Freizeit langfristig verändern.
"Wir sind durch Medizin, Wellness, Kosmetik gut erhalten, wir haben ein anderes Bewusstsein, sind geistig sehr aktiv und aufgeschlossener als frühere Seniorengenerationen", sagt Zeitmanagement-Experte Lothar Seiwert (siehe Interview rechts). Er fordert seine Altersgenossen auf, nicht zu jammern, sondern sich einen neuen Lebensinhalt zu suchen. "Wenn ihr könnt, kauft euch ein Wohnmobil und fahrt damit durch Australien! Oder engagiert euch in der Altenpflege, in der Entwicklungshilfe oder in Kindergärten! Die, die das machen, haben weniger Zeit als vorher."
Senior-Vorbilder
Der "sehr spezielle" Karl Lagerfeld ist für Seiwert ein cooler Typ, vom rauchenden, Schach spielenden Alt-Kanzler Helmut Schmidt ist Seiwert "Fan. Der bringt sich ein, sagt den Jungen, was Sache ist." Was noch? Eine Schnurre über Jopi Heesters (1903– 2011): Es klingelt. Der Tod steht vor der Tür. Heesters öffnet, ruft seine junge Lebensgefährtin: Es ist für dich!
Ich soll alt sein? Ja, sind die denn verrückt! So empört sich Lothar Seiwert in der Einleitung zu seinem Buch „Das neue Zeit-Alter“ (erscheint am 6.10.). Deutschlands Zeitmanagement-Experte musste sich erst an den Gedanken gewöhnen, Preisnachlässe für Museen oder Stadien zu erhalten. Heute sagt er: „Es ist gut, dass wir älter werden.“
KURIER: Herr Seiwert, haben Sie sich schon einen Seniorenteller gegönnt?
Lothar Seiwert: Jeder versucht natürlich diese sehr lukrative Zielgruppe der über-60-Jährigen für sich zu vereinnahmen. Ich persönlich habe schon ein Problem mit dem Seniorenteller, lächle aber darüber. Ich habe an meinem 60. Geburtstag geschworen, solange ich frei denken und entscheiden kann, so lange werde ich nie, nie, nie von einem Seniorenteller essen.
Keine Angst vor dem Pensionsschock?
Ich hatte Kollegen, die schon mit 40 nicht wussten, was sie mit ihrer freien Zeit anfangen. Das macht mich fassunglos, aber Menschen sind verschieden. Es gibt Leute, die fallen nach einem Monat im Ruhestand in ein tiefes Loch, weil sie nie gelernt haben, abseits der Arbeit etwas mit sich anzufangen, Eine frühere Mitarbeiterin von mir hat nur deshalb weiter gearbeitet, weil ihr Mann als Rentner ständig zu Hause war und sie es nicht aushielt, dass er den ganzen Tag bei ihr rumhängt. Ich sage: Die besten Jahre kommen erst, egal ob man sich Zeit nimmt für seine Enkelkinder oder ob man den Jakobsweg geht oder ein Ehrenamt übernimmt.
Altersforscher sagen voraus, dass in naher Zukunft Menschen mit 70 eine mentale und physische Verfassung wie heute 50-Jährige haben. Was halten Sie vom Opa auf der Harley?
Das ist eine exzellente Legitimation für Rechtsanwälte, Banker, Steuerberater, sich in einem Lederoutfit auf den Bock zu schwingen und andere Leute zu erschrecken, das ist doch fantastisch. Und warum denn nicht? Je oller desto doller, meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Solange Ältere noch im Besitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte sind, sollen sie selbst über ihr Leben bestimmen.