Riesenvirus aus dem Eis
Von Martin Burger
Die gute Nachricht: Mikrobiologe Matthieu Legendre von der Universität Aix-Marseille, der in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin PNAS den kürzlich in einem sibirischen Bohrkern entdeckten Riesenvirus Pithovirus sibericum beschrieb, gibt Entwarnung. "So weit wir wissen ist Pithovirus ein Amöben-Virus und kein menschlicher Krankheitserreger."
Ansonsten schlägt Pithovirus sibericum alle Rekorde der Virologie. 30.000 Jahre verbrachten die Riesen-Keime in 30 Meter Tiefe im sibirischen Permafrostboden. Die gemessene Länge von 1,5 Mikrometer übertrifft manches Bakterium bei Weitem, Pithovirus liegt bis zum 30-Fachen über einem durchschnittlichen Virus. Zu sagen, die Pithoviren aus dem Eis seien nach so langer Zeit wieder zum Leben erwacht, wäre eine Übertreibung, denn streng genommen handelt es sich bei Viren nicht um Lebensformen. Matthieu Legendre und Zweitautorin Julia Bartoli animierten die aufgetauten Viren daher dazu, wieder aktiv zu werden, indem sie ihnen ein mögliches Opfer vorsetzten, das sie infizieren konnten. In diesem Fall waren das einzellige Amöben (Acanthamoeba castellanii ), die fast überall auf der Welt im Boden vorkommen. Die Viren befielen die Amöben und töteten diese.
Bei der Erforschung der überdimensionierten Viren stehen die Wissenschaftler erst am Anfang. Sicher ist nur, dass es diese Riesen an weit mehr Orten der Erde gibt, als bislang angenommen. Vertreter dieses Typs wurden in Sibirien, vor der chilenischen Küste und nahe Melbourne in Australien nachgewiesen. Ihre genetische Ausstattung ist neuartig und so von keinen anderen Mikroben bekannt.
Der voranschreitende, von Menschen verursachte Klimawandel lässt immer mehr Permafrostböden auftauen. Ob unter den Erregern, die in den nächsten Jahren und Jahrzehten gefunden werden, auch Keime sein werden, die für den Menschen gefährlich sind, kann derzeit niemand sagen.