Rätselhafte Prostata
Von Laila Docekal
Jeder dritte Mann über 50 Jahren ist von einer Prostatakrebs-Diagnose betroffen. Jeder Sechste erkrankt klinisch und einer von 33 Männern stirbt daran. Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor, der bei Männern diagnostiziert wird – in Österreich stirbt durchschnittlich alle 7,3 Stunden jemand daran. Prostatakrebs kostet jährlich rund 90.000 Männer in Europa das Leben.
Prim. Karl Pummer von der MedUni Graz beschreibt die Problematik des Prostatakarzinoms: „Es hat eine unsichere Diagnostik, der Nutzen der Therapie ist fraglich, das Bewusstsein für die Erkrankung ist nicht gut ausgebildet und es gibt wenig Geldmittel für Forschungsarbeit.“ So ist das Prostatakarzinom der einzige Tumor, der nicht durch Röntgenaufnahmen diagnostiziert wird, sondern durch den PSA-Bluttest. „Jeder Vierte hat irgendwann einmal einen erhöhten PSA-Wert – davon erkrankt aber tatsächlich nur ein Viertel.“
Nicht weniger problematisch ist die Therapie. Zwar gibt es sechs neue lebensverlängernde, bzw. schmerzlindernde Therapien, doch von personalisierter Medizin, wie sie etwa beim Brustkrebs immer öfter angewandt wird, ist die Urologie noch weit entfernt. „Wir haben keine Biomarker, mit denen wir sagen können, welche Patienten wie gut auf die jeweilige ansprechen“, erklärt Univ.-Prof. Gero Kramer von der MedUni Wien.
Übertherapie
Umso mehr wollen Urologen in geeigneten Fällen ohne Behandlung auskommen – denn 20 bis 40 Prozent der Patienten haben einen so harmlosen Tumor, dass es vorerst ausreichen würde, diesen zu beobachten. Univ.-Prof. Stephan Madersbacher vom Wiener Donauspital erklärt: „Es werden acht Mal mehr Tumore entdeckt, als Patienten daran sterben. Diese Überdiagnosen führen oft zu Übertherapie. Es werden viele mit einem harmlosen Tumor therapiert – das kostet nicht nur viel, sondern birgt auch viele Nebenwirkungen.“ Bei dem Konzept der Active Surveillance (aktive Beobachtung) werden Patienten mit einem harmlosen Tumor regelmäßig untersucht – erst, wenn der Tumor Zeichen eines Voranschreitens zeigt, wird er behandelt. So würde vielen Männern die Therapie und damit Nebenwirkungen wie Inkontinenz oder Impotenz erspart bleiben.
Eine Untersuchung der Active Surveillance über sechs Jahre zeigte, dass kein Patient in dieser Zeit an einem Karzinom verstarb – nur bei 20 bis 40 Prozent schritt der Tumor so voran, dass mit einer Therapie begonnen wurde. „So wird die Therapie für jene reserviert, die einen progressiven Tumor haben“, sagt Madersbacher.
Eine wirklich positive Nachricht bleibt aus: „Wir versuchen den Patienten die verschiedenen Therapien maßgeschneidert anzubieten, aber das golden bullet gibt es leider noch immer nicht.“