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Eine vorbeugende Therapie gegen Migräne

Migräne hat viele verschieden Gesichter und wirkt sich auf jeden Betroffenen anders aus. Bei Frauen taucht sie häufig im Kontext ihrer „Tage“ auf, manche leiden nach Stress-Situationen darunter, einige Patienten schildern, dass Schlafmangel Auslöser für ihre Kopfschmerzattacke zu sein scheint. Migräne kann sich durch Heißhungerattacken ankündigen, ebenso wie durch Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder Antriebsstörungen. „Nicht selten geht Migräne mit Schmerzen im Nacken einher“, schildert Univ.-Prof. Christian Wöber, Kopfschmerzexperte an der Univ.-Klinik für Neurologie der MedUni Wien.

Wie auch immer – der Leidensdruck von Migränepatienten ist groß, speziell, wenn die Attacken sehr häufig sind: „Nicht wenige Betroffene haben vier oder mehr Attacken pro Monat, bei denen im schlimmsten Fall selbst einfache Alltagsaktivitäten unmöglich sind“, erklärt Wöber. Für diese Gruppe von Kopfschmerzpatienten gibt es nun eine weitere Hoffnung: Die sogenannte „Migräneimpfung“, eine völlig neuartige vorbeugende Maßnahme gegen die quälenden Kopfschmerzattacken. Sie soll voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2018 von der Europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen werden und ist als erste maßgeschneiderte Prophylaxe für Menschen gedacht, die von dem Leiden besonders schwer betroffen sind und die schon andere Therapien ohne Erfolg eingesetzt haben.

„Das Prinzip dieser präventiven Behandlung ist es, einen Antikörper gegen den Botenstoff CGRP (für Calcitonin-Gene-Related Peptide, Anm. der Red.) einzusetzen. Dieser Stoff spielt bei der Entstehung von Migräneattacken eine entscheidende Rolle“, erklärt Wöber. Der Grundmechanismus jeder Migräneattacke sei eine auf Basis von Impulsen aus dem Nervensystem ausgelöste Entzündung, die über den Trigeminus in der harten Hirnhaut ausgelöst wird – diese Kaskade wird mit Hilfe des Antikörpers unterbrochen. Mit der „Impfung“ bekommt der Körper also die Möglichkeit, sich gegen den Entzündungsprozess zu wehren. Erste Studien an Patienten – auch an der MedUni Wien – zeigen nun: Die „Impfung“ wirkt. „Die Studiendaten beweisen, dass dieser Antikörper wirksamer ist als eine Behandlung mit Placebo und eindeutig ein Effekt da ist“, sagt Wöber. Es hätte sich zwar auch gezeigt, dass nicht jeder Patient von dem Antikörper profitiert, „aber eine kleine Gruppe von Behandelten spricht außerordentlich gut an, bei ihnen hat sich die Migränehäufigkeit um ein besonders großes Stück verringert.“

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Zur Langzeitverwendung gibt es noch keine Daten. Hier müssten weitere Studien zeigen, wie lange diese Therapie durchgeführt werden soll und bei wie vielen Patienten es mit der Zeit zu einem Nachlassen der Wirkung – oder möglicherweise auch umgekehrt – zu einer Verbesserung der Wirkung kommt. Unklar ist überdies die langfristige Verträglichkeit. „Bisher sind in den Studien keine schweren Nebenwirkungen aufgetreten – aber das muss man sich natürlich auch im breiteren Einsatz ansehen“, sagt Wöber. Unbeantwortet ist außerdem die Frage, bei wem die Impfung tatsächlich wirkt – das ist wie bei allen bisherigen Migränetherapien nämlich nicht verlässlich vorherzusehen. „Der Antikörper ist zwar maßgeschneidert für Migräne entwickelt worden, aber trotzdem bleibt es weiterhin schwierig, vorauszusagen, wem diese Präventiv-Behandlung wirklich helfen wird erklärt Wöber.

Keine Immunisierung

Außerdem handle es sich dabei nicht um eine langfristige Immunisierung, wie bei einer Schutzimpfung, sondern es wird der Botenstoff CGRP lediglich für einige Zeit in seiner Aktivität blockiert. „Die Behandlung muss daher monatlich wiederholt werden. Die Erfolgslatte liegt bei einer Reduktion der Attackenhäufigkeit um zumindest 50 Prozent und es muss auch klar sein, dass wir nach wie vor keine Möglichkeit haben, Migräne ein für allemal zu beenden“, so Wöber. Er betont: „Die Antikörperbehandlung ist keine Option für Menschen, die hie und einmal an Migräne leiden, sondern für Patienten mit vielen Attacken gedacht, bei denen etablierte Therapien nicht geholfen haben.“ Eine Hürde, die die neue „Impfung“ gegen Migräne nach einer möglichen Zulassung nächstes Jahr auch noch nehmen muss, betrifft die Kosten – Wöber: „Hier gilt es von Seiten der Sozialversicherungsträger eine Regelung zu finden, denn die Kosten der Therapie werden eine Größenordnung haben, die die Eigenfinanzierung nicht realistisch erscheinen lässt.“

Die Patienten, bei denen der Antikörper wirkt, berichten von einer großen Erleichterung. Logisch, zumal „Migräne eine Krankheit ist, die oft über Jahre und Jahrzehnte vorhanden ist. Wenn sie mit einer hohen Attackenhäufigkeit einhergeht, sind die Betroffenen in ihrer Lebensqualität extrem beeinträchtigt. Für jeden Anfall weniger sind Menschen mit Migräne dankbar. Diese Form von Therapie ist ein großer Schritt, weil sie die erste speziell für Migräne entwickelte vorbeugende Behandlung ist und weil sie, wie jede neue Therapie, unser Spektrum erweitert“, sagt Wöber.