Medizinethiker Beck: Impfpflicht in bestimmten Berufen möglich
Der Wiener Medizinethiker und Theologe Matthias Beck hält eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie Pädagogen, Ärzte oder Krankenpfleger für denkbar. "Menschen mit direktem Kontakt zu anderen Menschen sind dem Coronavirus stärker ausgesetzt und besitzen ein höheres Ansteckungsrisiko als Menschen, die vor dem Computer sitzen", so die Erklärung des Mediziners. Die Corona-Impfung sei aber auch ein Gemeinwohl-Thema, betonte Beck gegenüber der Kathpress. Mit dem Einhalten der Corona-Maßnahmen und der Impfung stelle man das "Gemeinwohl vor das Eigenwohl". Impfen sei damit auch eine Frage der Solidarität.
Ähnlich wie bei der Masernimpfung müsse eine gewisse Herdenimmunität erreicht werden, legte das Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt dar. "Auch wenn viele Menschen Bedenken wegen des Corona-Impfstoffes haben: Er ist gut geprüft."
Der Theologe warnte aber vor falschen Rückschlüssen in puncto Impfung. Eine Einstellung, wie "Ich bin jetzt geimpft, jetzt brauche ich keinen Mundnasenschutz mehr" bezeichnete er als Trugschluss. Zwar verhindere eine Impfung einen schweren Verlauf der Viruserkrankung, Betroffene blieben möglicherweise aber weiterhin ansteckend. Zur Frage nach einer generellen Impfpflicht in Österreich meinte Beck, dass es "Appelle an den Hausverstand" brauche, bevor man politisch über eine Impfpflicht diskutiere.
"Es nervt uns alle"
Angesicht der Anti-Corona-Demonstrationen und Spaziergänge in ganz Österreich unterschied der Theologe zwischen Corona-Leugnern und jenen, denen die Corona-Maßnahmen zu weit gehen oder die sich Alternativen wünschen. Für Erstere könne er kein Verständnis aufbringen; in Richtung Corona-Maßnahmen-Kritiker meinte er jedoch: "Ich kann es verstehen, es nervt uns alle, es nervt mich auch. Es gibt keinen, der über diesen Zustand jubelt."
Zu bedenken gab der Medizinethiker jedoch, dass nicht die Politik die Wirtschaft oder die Gesellschaft zerstöre, sondern das Virus. "Die Politik kann lediglich versuchen die Schäden zu minimieren." Als Vergleich könne die aktuelle Situation in England oder den USA dienen, wo die Politik zu langsam auf das Virus reagiert hätte. Opfer dieser fehlenden politischen Entscheidungen sei auch das Krankenhauspersonal, das einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sei. Ein "Pflegenotstand" sei die Folge: "Wenn man keine Maßnahmen ergreift, dann haben wir zwar Betten und Beatmungsgeräte, aber niemanden, der sie bedienen kann."
Es gibt "schlechte und noch schlechtere Lösungen", meinte Beck; die aktuellen Corona-Maßnahmen in Österreich seien für die Einzelnen oder die Wirtschaft "schlecht, noch schlechter ist aber, nichts zu tun".
Abstand einzige Möglichkeit
Viren könne man anders als Bakterien nicht mit Antibiotika abtöten, stellte Beck klar. "Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, ist der Abstand." Der Mediziner erklärte dies mit der raschen Vermehrung und den möglichen Mutationen des Virus: Je mehr Menschen infiziert seien, desto mehr Mutationen könne es geben. Im schlimmsten Fall könnten die aktuell zugelassenen Impfungen nicht mehr wirken, warnte Beck.
Die aktuellen Corona-Maßnahmen bewertete Beck daher als "richtig". Menschen müssten sich aus Gründen der Solidarität daran halten, so sein Appell.
Der Impfstoff würde schnell verderben, eine rasche Verteilung sei daher nötig, meinte der Wiener Medizinethiker. Um einen sogenannten "Impfneid" zu verhindern oder "hintenrum Geschäfte" zu verhindern, hätte die Bioethikkommission eine Prioritätenliste erstellt. Diese müsse aber nun auch eingehalten werden, mahnte Beck. Rund um die Debatte um publik gewordenen Vorreihungen bei Coronavirus-Impfungen durch Nichtrisikopatienten - etwa Kommunalpolitiker - meinte der Mediziner: "Wenn ein Impfstoff wirklich überbleiben sollte und sich niemand dafür fände, dann wäre es nicht tragisch. Ist dieser Fall nicht gegeben, dann gilt die Prioritätenliste."