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Langer Penis und Parfüm: Vom Sex in der Tierwelt

Sie umschwärmen und turteln, bringen Hochzeitsgeschenke und Morgengaben, zeigen diskret bis unverblümt, was sie zu bieten haben, bauen mitunter ein sicheres Heim und vertreiben Nebenbuhler. Aus Liebe? Von wegen! Ob Bakterie oder Bonobo, ob Biene oder Biber – Tiere haben keine Schmetterlinge im Bauch, wenn sie Sex im Sinn haben. Dann also Vermehrung? Nicht ganz! Seit etwa drei Milliarden Jahren geht es um das Eine – um den Austausch von Erbgut.

"An sich sind Fortpflanzung und der Austausch von Genen zwei völlig getrennte Dinge. Bei höheren Lebewesen können Gene allerdings nur über die Vermehrung weitergegeben werden", sagt Andreas Hantschk. Der Museumspädagoge im Naturhistorischen Museum Wien (NHM) kennt jede Menge Spielarten der Natur, die das Erbmaterial ans Ziel bringen. Vom extra langen Penis der Schwarzkopfruderente für die Unterwasserpaarung bis zur Verschmelzung der Blutsysteme von Anglerfisch-Riesin mit Anglerfisch-Zwerg. Romantik schwingt nirgends mit, Valentinstagsführung hin oder her. - Das NHM lädt am 14.2.2018 zu einem Spezial-Abend inklusive Cocktail ein. (Ab 18 Uhr geht es um „Männerfantasien auf Gürtelschnallen“, „Erotisches rund um die Venus“ sowie das „Liebesleben im Tierreich“. Die Karte kostet 22 Euro, Anmeldung erforderlich.)

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Brautgeschenk

"Aus der Sexualität entwickeln sich die erstaunlichsten Formen und Verhaltensweisen", sagt Hantschk. Das beginnt beim Flirten, geht über die Kopulation und endet bei der Elternschaft. Listspinnen packen schmackhafte Beutestücke in Seide und bringen das Paket zum Rendezvous mit. Unscheinbare Laubenvögel schmücken sich mit fremden Federn und trumpfen mit einem bunt dekorierten Nest auf. Prachtbienen kreieren ihr eigenes Parfum und stopfen sich betörende Blüten, Pilze, nasses Laub und Baumharz in die Taschen an ihren Hinterbeinen. Die Damenwelt will beeindruckt sein.

Damenwahl

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"Tendenziell sind männliche Wesen daran interessiert, die Gene möglichst weit zu streuen. Die Weibchen sind daran interessiert, eine Auswahl zu treffen, um sich vom besten Männchen begatten zu lassen", sagt der Museumspädagoge. Damenwahl ist angesagt. Ihre Investition in die Produktion der Eier, die Schwangerschaft und die Aufzucht des Nachwuchses erfordert meist mehr Kraft als sein Beitrag als Samenspender. Ausnahmen bestätigen die Regel: Beim Seepferdchen wird quasi der Hengst von der Stute geschwängert.

Pseudopenis

"In der Natur ist nichts perfekt, sondern so gut wie möglich", betont der Biologe. Tüpfelhyänen sind dafür ein Beispiel. Die Rudeltiere leben im Matriarchat. Das ranghöchste Weibchen trägt einen Pseudopenis zur Schau. Die stark vergrößerte Klitoris macht denn aber zu schaffen: dem Männchen bei der Begattung, dem Weibchen beim Gebären. Der Evolution ist für die Katzenartigen offenbar noch nichts besseres eingefallen. Das gilt auch für die Partner der Schwarzen Witwe. Die männliche Spinne bezahlt für den Austausch der Gene mit dem Tod. Das Weibchen frisst seinen Gespielen während der Paarung auf. Durch seinen sequenzierten Körper bleiben aber genug Nervenknoten aktiv, um mehr Sperma abzusetzen als die nachfolgende Konkurrenz, die mit dem Leben davon kommt. Hantschk: "Obwohl er stirbt, zahlt es sich mathematisch aus, sonst wäre es nicht so." Sonst würde es auch die Gottesanbeterin, bei der die Liebe genau so durch den Magen geht, anders machen.

Kannibalismus

Kannibalismus während des Liebesaktes – diese Versuchung kennen Blattläuse, Wasserflöhe und Rädertierchen nicht. Sie kommen gänzlich ohne Partner aus. Die Fachwelt nennt die eingeschlechtliche Vermehrung "Jungfernzeugung" – Gen-Austausch: Fehlanzeige, Hingabe ohnehin nicht.

Zwitter als vorgesehene Entwicklung

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Auch Weinbergschnecken sind nicht sonderlich wählerisch. Die Zwitter verpartnern sich mit jedem dahergekrochenen Artgenossen. "Zwitter sind weder Weibchen noch Männchen, sondern besitzen beide Anlagen, sie sind eine vorgesehene Entwicklung der Natur", sagt Hantschk. Bei den Weichtieren erhöht ein Liebespfeil den Paarungserfolg, manchmal befruchten die Schleimer einander gegenseitig, manchmal legt nur eine Schnecke vier Wochen später bis zu sechzig Eier ab.

Harem

Seeelefant und Gorilla wiederum setzen auf eine völlig andere Strategie. Sie halten sich einen Harem. Sicher ist sicher. Pikantes Detail bei den Silberrücken: Der dominante Menschenaffe ist sich seiner Sache so gewiss, dass er oft nur über einen kleinen Penis, kleine Hoden und wenig Samenflüssigkeit verfügt.

Monogamie

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"Monogamie ist ein eher seltenes Phänomen", sagt Hantschk. Graugänse, Biber und Weißhandgibbons zählen zur Minderheit in Gottes großem Tiergarten. Ihr Leben in der Zweierbeziehung soll in erster Linie die Überlebenschancen des Nachwuchses erhöhen, das Erbe muss beschützt werden. Berechnung statt ewiger Verliebtheit. "Zum Austausch der Gene gibt es eigentlich alles", fasst der Experte für tierischen Sex zusammen. Nur die Herzensangelegenheiten bleiben auf der Strecke.