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Krebs: Den Patienten besser zuhören lernen

Es geht nicht nur um neue Medikamente und Operationstechniken: Auch die Psyche spielt in der Krebstherapie eine immer größere Rolle. Das zeigte sich auch beim Freitag eröffneten Kongress der European Society for Medical Onkology (ESMO) im Wiener Messezentrum. 16.000 Spezialisten aus 120 Ländern nehmen daran teil. Mehr als 2000 Studien werden präsentiert.

Einschränkungen des Sexuallebens, soziale Probleme, Depressionen, Angstzustände, Schlaflosigkeit: Nur 16 bis 46 Prozent der Patienten gaben in einer Studie an, dass ihre Ärzte diesen Problemen genug Aufmerksamkeit widmen, berichtete Felix K. Tauchert vom Universitären Centrum für Tumorerkrankungen in Frankfurt/Main.

Für die Studie wurden 1300 Krebs-Patienten befragt. „Jene Themen, die die Patienten am meisten belasten, werden im Arzt-Patienten-Gespräch zu wenig berücksichtigt". Am meisten litten die Betroffenen unter Sorgen um ihre Zukunft und um ihre Familie, Ängsten, Konzentrationsstörungen sowie Einschränkungen ihres Sexuallebens.

Tauchert fordert ein Umdenken. Die Patientenbedürfnisse müssten stärker als bisher in den Arztalltag integriert und vor allem ernst genommen werden. „Die meisten krebsspezifischen Fragebögen gehen davon aus, dass Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen die wichtigsten Symptome sind." Deren Wertigkeit hätte sich aber möglicherweise durch die verbesserten Begleittherapien (z. B. bei Übelkeit und Erbrechen während Chemo- oder Strahlentherapie) verändert.

Zunahme

Krebs verursacht in Europa Kosten von 120 Milliarden Euro pro Jahr, berichtet Ramon Luengo-Fernandez von der Oxford University. 36 Prozent davon betreffen die Behandlungskosten, die unbezahlte Pflege immerhin 20 Prozent. Dazu kommen ökonomische Ausfälle durch Tod und Krankheit. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung und des Rückgangs bei den Herz-Kreislauferkrankungen wird Krebs laut WHO im Jahr 2020 die häufigste Todesursache sein. Große Hoffnungen setzen die Experten in die personalisierte Medizin mit auf Grund genetischer Merkmale genau charakterisierten Patientengruppen. ESMO-Präsidentin Martine Piccart: „Wir bekommen das nicht binnen zwei Tagen hin, die Entwicklung wird noch eine Dekade dauern."

Kongress-Splitter: Cholesterinsenker gegen Krebs

- Cholesterinsenker (Statine) könnten einen Effekt gegen Krebs haben – das konnten Wissenschaftler der MedUni Wien am AKH durch Arbeiten an Zellkulturen belegen: „Statine können Zellen, auch Tumorzellen, in die Apoptose (programmierter Zelltod, Anm.) treiben", so Christoph Minichsdorfer (Uni-Klinik für Innere Medizin I). „Speziell bei Melanomzellen hat man entdeckt, dass sie bei längerer Exposition gegenüber Statinen dafür anfällig sind."

- 2013 soll in Österreich das Mammografie-Screeningprogramm starten. Alle Frauen im Alter zwischen 45 und 70 Jahren sollen regelmäßig zu der kostenlosen Untersuchung eingeladen werden. Eine Oekonsult-Umfrage unter 1011 Frauen im Alter zwischen 16 bis 83 Jahren zeigt allerdings: 81 Prozent fühlten sich über das Thema nicht ausreichend informiert. Dabei hat die Mammografie einen ganz besonderen Stellenwert für viele Frauen, so die Meinungsforscher: 74 Prozent der Befragten gaben an, dass die Mammografie „keine Röntgenuntersuchung wie jede andere auch" sei.

- Zehn Prozent der Brustkrebsfälle treten in bestimmten Familien gehäuft auf. Frauen aus diesen Familien sollen in Zukunft anhand neuer Leitlinien in 57 Zentren nach den gleichen Kriterien betreut werden, so der Radiologe Thomas Helbich und der Gynäkologe Christian Singer von der MedUni Wien.

- Bei einem fortgeschrittenen Melanom (schwarzer Hautkrebs) mit einer bestimmten Genmutation in den Tumorzellen erhöht das 2011 zugelassene Medikament Vemurafenib die durchschnittliche Überlebenszeit um rund 40 Prozent, sage der britische Experte James Larkin auf dem ESMO-Kongress.

Veranstaltung: "Flamme der Solidarität"

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Anlässlich des Kongresses appelliert die Österreichische Krebshilfe an die Bevölkerung, diesen Sonntag , 30. 9., zwischen 18.00 und 20.00 Uhr zum Musikvereinsplatz in Wien zu kommen, eine Kerze mitzubringen und sie als Zeichen der Hoffnung und des gemeinsamen Kampfs gegen Krebs zu entzünden („Flamme der Solidarität"). Um 19 Uhr werden Hunderte weiße Schleifen (Flogos) in den Himmel fliegen. „PatientInnen, Angehörige, Freunde, ÄrztInnen, PflegerInnen – jeder und jede sind eingeladen und willkommen, dieses Zeichen der Solidarität mit uns gemeinsam zu setzen", sagt Krebshilfe-Präsident Univ.-Prof. Paul Sevelda. – „Alleine in Österreich erhalten 36.000 Menschen jährlich die Diagnose Krebs – gleichzeitig gibt es ein Vielfaches an Mitbetroffenen", so Univ.-Prof. Christoph Zielinski, Mit-Organisator des Kongresses.

Sevelda kritisiert, dass Österreich das einzige Land der 17 EU-Mitgliedsstaaten sei, in dem es noch keine Kostenübernahme der HPV-Impfung durch die öffentliche Hand gebe. Die Impfung schützt vor Infektionen mit verschiedenen Typen des Human Papilloma Virus (HPV), die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Derzeit kostet die Impfung pro Teilimmunisierung (drei Teile sind notwendig) 200 Euro.

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