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Klimawandel: Weiße Tiere sind vom Aussterben bedroht

So ein Pelzmäntelchen im Winter tut gute Dienste – vorausgesetzt es hat die richtige Farbe. Warum diese so wichtig ist, erläutert Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur Wien: "Wer leicht sichtbar ist, wird schnell zur Beute. Er ist aber auch als Beutegreifer im Nachteil, weil er früher gesehen wird."

Ein weißer Schneehase in aperem Gelände ist deshalb so etwas wie der "Cheeseburger des Waldes", sagt die Wildbiologin Jennifer Feltner von der US-Uni Montana. Er wird somit "Opfer" des Klimawandels.

Doch die Natur hat auf das "Wenig zu fressen und flugs gefressen werden" mancherorts bereits reagiert, zeigt eine internationale Studie, veröffentlicht im Fachmagazin Science: Schneehuhn, Lemming & Co. verzichten zunehmend auf ihre weiße Garderobe. Denn nur Anpassung sichert ihr Überleben, Schutzgebiete helfen dabei.

In Österreich haben wir mit Schneehase und Schneehuhn zwei Eiszeitrelikte.


Werden die Tage kürzer, bereiten sich auf der nördlichen Halbkugel 21 Arten auf die weiße Pracht vor und legen sich ein ebensolches Winterkleid zu. Wissenschaftler haben nun jahrelang in Literatur nach diesen Tieren gesucht, Archive durchstöbert und Museen besucht. Für acht Arten, die winterweiß wie winterbraun vorkommen, konnten sie ausreichend Material sammeln.

"In Österreich haben wir mit Schneehase und Schneehuhn zwei Eiszeitrelikte. Außerhalb der alpinen Regionen gibt es den Hermelin und das Mauswiesel", zählt Studien-Co-Autor Hackländer auf. Das Mauswiesel tritt in den Nockbergen denn auch in zwei Farbprägungen auf. Diese polymorphen Populationen, in denen ein Teil der Tiere braun bleibt und ein Teil auf weiß wechselt, können sich variabel auf die saisonale Schneelage einstellen. "Die falsche Farbe wird schnell ausselektiert. Der Druck im Laufe der Evolution ist groß", sagt der Wildbiologe. Das gilt überall. So leben wegen der spärlichen Schneedecke Hermeline im Süden der USA und Schneehasen in Irland bereits ganzjährig braun.

Die neuen Tarnanzüge können freilich nur bei genetischer Vielfalt entstehen. Für Schneehase und -huhn wird es hierzulande daher eng. Mit einer natürlichen Dichte von ein bis zwei Individuen pro Quadratkilometer bleibt auf begrenztem Lebensraum wenig Chance auf anpassungsfähigen Nachwuchs.

Andernorts zeigen sich bereits weitere, diese Arten bedrohende Entwicklungen, die die Erderwärmung mit sich bringt: Im Schweizer Graubünden überholt der Feldhase bei seinem Gipfelsturm die weiße Verwandtschaft. Die beiden verpaaren sich. Die dominanten braunen Rammler kommen bei den Schneehäschen besser an, Erbgut geht verloren.

Selbst in Sibirien

In Sibirien wiederum, wo Permafrostböden tauen, schränken gatschige Klumpen an den dicht behaarten Pfoten Schneehasen in der Fortbewegung ein; keine gute Voraussetzung für Flucht, Futter- und Partnersuche. "Die Tiere sind auch kälteangepasst. Was der Hitzestress mit ihnen macht, wissen wir noch nicht", sagt Hackländer.

Fest steht jetzt schon, dass die bunt gemischten Populationen bessere Überlebenschancen haben. Doch derzeit liegen nur etwa fünf Prozent der polymorphen Zonen in Schutzgebieten. Studien-Erstautor Scott Mills appelliert: "Wir müssen kurzfristig die Schutzzonen ausweiten und langfristig die Treibhausgase reduzieren. Das Artensterben ist nicht unvermeidlich."

Das Leben in freier Wildbahn ist grausam, nur die am besten angepassten Individuen überleben. Die Natur hat sich für diese Anpassung viele Spielarten ausgedacht. Fressfeinde wie Beute können durch Aussehen, Geräusche oder Gerüche in die Irre geführt werden. Optische Täuschung schützt zu Wasser und zu Land. Beispiele gefällig? Das Denise-Zwergseepferdchen ist mit kleinen Knubbeln ausgestattet – so wie seine Lieblings-Korallenart. Der Ambon-Drachenkopf sieht selbst aus wie eine Alge, farblich ist der Fisch auf seine Algen-Umgebung abgestimmt. Die Rohrdommel wiederum verschwindet mit einer blass-punktierten Vorderseite und braunem Rückengefieder zwischen den Schilfhalmen.

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