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Wie viel Klimawandel in unserem Wetter steckt

Lange war es ein Tabu – als Klimaforscher über ein konkretes Wetterereignis zu reden. Friederike Otto ist da viel pragmatischer: „Die Leute fragen, ob Wetterkapriolen mit dem Klimawandel zusammenhängen – egal, ob wir eine Antwort haben oder nicht. Und wenn wir als Wissenschafter keine Antwort geben, dann wird irgendjemand es tun. Und der hat dann möglicherweise nur eine politische Agenda. Andere Forscher erkennen auch, dass es wünschenswert wäre, wissenschaftliche Fakten zu liefern, wenn Leute Fragen stellen. Und das nicht erst ein Jahr später.“

Und genau das tut die junge deutsche Physikerin Otto: Sie errechnet, wie viel Klimawandel in unserem Wetter steckt. So hat die Klimaforscherin von der Universität Oxford ausgerechnet, wie groß der Beitrag der globalen Erwärmung zu den Hitzespitzen der vergangenen Jahre war. Nicht im Allgemeinen, sondern ganz konkret: Demzufolge hat der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für eine Hitzewelle im irischen Dublin verdoppelt, im niederländischen Utrecht verdreifacht und im dänischen Kopenhagen sogar verfünffacht.

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Zur Person: Klimaforscherin Friederike Otto

Eine Vegetarierin ohne Auto, die nur mit Skrupel in ein Flugzeug steigt: Friederike Otto, geb. 1982 in Kiel, entspricht auf den ersten Blick dem Klischee einer  Klimaforscherin. Sie ist Physikerin sowie promovierte Philosophin und leitet das Environmental Change Institute an der Universität Oxford  mit 70 Mitarbeitern. Sie gilt als wichtigste Vertreterin der sogenannten Attributions- oder Zuordnungsforschung und zählt zu einer Handvoll Wissenschafter weltweit, die berechnen können, wie viel Klimawandel in unserem Wetter steckt.

Das hat sie z.B nach dem Hurrikan Harvey (2017, USA) gemacht oder beim Donauhochwasser 2013. Otto publiziert in den renommiertesten Journals ihres Fachgebiets und wurde als Autorin für den nächsten Bericht des Weltklimarats IPCC berufen. Seit dem Hitzesommer 2018 ist sie richtig bekannt: Die Frauenzeitschrift  „Brigitte“ berichtetet über den jungen Klimawandel-Star, und  während der quälend langen Regierungsbildung hat das Magazin „Neon“ Otto gar zur Umweltministerin eines idealen deutschen Wunschkabinetts erkoren. 

KURIER: Wie viel Klimawandel steckt denn nun tatsächlich in unserem Wetter?

Friederike Otto: Das hängt vom Wetter ab, von der Art der Ereignisse und der Region. Nicht jedes Extremwetterereignis wird auf die gleiche Art und Weise vom Klimawandel beeinflusst. Der Hurrikane Harvey 2017 zum Beispiel trägt einen der deutlichsten Fingerabdrücke des Klimawandels. Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für solch einen Starkregen in etwa verdreifacht. Im Falle des Donauhochwasser 2013 hat der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für das Hochwasser aber nicht verändert.

Wie viele Ereignisse haben Sie bereits berechnet?

Mein Team hat etwa 25 Ereignisse angeschaut. Weltweit sind es so um die 200. In Österreich haben wir noch nichts gemacht, aber wir haben die Hitzewelle im Sommer 2018 analysiert. Eine derartige ist durch den Klimawandel ungefähr fünfmal wahrscheinlicher geworden. Wir haben uns auch die Hitzewelle im Jahr davor im Mittelmeer angeschaut. Hier bemerkt man den Klimawandel ganz deutlich. Die Hitzewelle 2017 ist mindestens zehnmal wahrscheinlicher geworden.

Nehmen wir an, wir unternehmen nichts gegen die Klimawandel – was wäre 2030 in Österreich los?

2030 wird es auf alle Fälle wärmer sein als jetzt. Die meisten Trends, die wir jetzt schon sehen, werden sich verstärken. Für Österreich bedeutet das: Heiße Sommer, einen längeren Frühling und kürzere Winter. Es bedeutet aber wahrscheinlich auch mehr Frostschäden, weil es doch immer wieder Kälteeinbrüche geben wird.

Sie haben eine neue Forschungsrichtung mitbegründet. Wie waren die Reaktionen?

Bei den Forscherkollegen gab es anfangs relativ viel Skepsis. Das Besondere an dem, was wir machen, ist, dass wir oft sehr rasch arbeiten. Und da heißt es dann: Das geht doch viel zu schnell, das kann nicht echte Wissenschaft sein. Wir haben also versucht, unsere Methoden so wasserdicht wie möglich zu machen, wissenschaftliche Standards an unsere Methoden angelegt, die höher sind als bei klassischer Klimaforschung.

Wie schnell können Sie im Ernstfall eine Analyse machen?

Das schnellste waren bisher fünf Tage. Vergangenen Sommer bei der Hitzewelle in Nordeuropa; und einmal bei einem Extremregenereignis im Dezember 2015 in Großbritannien. Der Sturm hieß Desmond.

Was genau machen Sie?

Die Idee ist einfach. Die erste Frage, die wir stellen ist: Wie wahrscheinlich ist dieses Wetterereignis, das wir erlebt haben, in der Welt in der wir heute leben? Da kommt zum Beispiel heraus, dass die Hitzewelle des vergangenen Sommers etwa alle zehn Jahre zu erwarten ist. Danach simulieren wir eine Welt ohne Klimagase und fragen, wie das mögliche Wetter ohne Klimawandel gewesen wäre. Da kommt dann für die Hitzewelle des vergangenen Sommers heraus, dass es ein 50-jähriges Ereignis wäre. Der einzige Unterschied in den beiden Simulationen sind die Treibhausgase. Wir wissen sehr genau, was die menschengemachten Emissionen sind, was seit Beginn der industriellen Revolution an Klimagasen induziert wurde. Und so können wir sagen, dass sich die Wahrscheinlichkeit für eine derartige Hitzewelle verfünffacht hat.

Was antworten Sie einem Klimawandel-Leugner?

Die meisten leugnen einfach die Grundgesetze der Physik. Klimamodelle sind ja nicht Voodoo, sondern beruhen auf der Energie-Erhaltung, der Masse-Erhaltung und der Impuls-Erhaltung. Wer daran nicht glaubt, dem kann ich nicht helfen.

Tun Sie persönlich etwas gegen den Klimawandel?

Wenn man davon absieht wie viel ich fliege, ja. Ich denke, das Wichtigste ist tatsächlich sich zu überlegen, wen man wählt. Wenn Parteien den Klimawandel nicht auf der Agenda haben, dann wäre diese Partei für mich nicht wählbar.

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Warum haben Sie ausgerechnet jetzt Ihr Buch „Wütendes Wetter“ geschrieben?

Es gibt zwei Ideen zum Klimawandel. Die eine ist: Klimawandel ist etwas, das in ferner Zukunft irgendwo anders passiert. Die zweite ist: Klimawandel ist eine große Katastrophe, die morgen über die Welt hereinbricht. Und wir können sowieso nichts mehr dagegen tun. Was wir mit unserer Forschung zeigen: Klimawandel ist weder noch. Es ist ein reales Problem, das uns  j e t z t  betrifft. Für manche Gegenden ist der Klimawandel ein echter Gamechanger, aber er ist nicht für alles verantwortlich. Es ist ein Problem, bei dem wir es jetzt in der Hand haben, es zu lösen. Darum ist jetzt ein guter Zeitpunkt für das Buch.

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