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Was bringen Uni-Rankings wirklich?

In Österreich wird immer wieder von Spitzenforschung gesprochen – in internationalen Rankings rangieren wir im oberen Mittelfeld. Erst heute wurde das renommierte National Taiwan University Ranking (NTU) veröffentlicht, bei dem sich die Medizinische Universität Wien im Bereich klinische Medizin von Platz 67 auf 65 verbessern konnte. Univ.-Prof. Markus Müller, Rektor der MedUni, erklärt, wie Österreich international dasteht und ob hier überhaupt Spitzenforschung möglich ist.

KURIER: Herr Professor, was bringen diese Rankings überhaupt?

Müller: Rankings werden von verschiedenen Institutionen durchgeführt und die haben alle verschiedene Schwerpunkte. Es gibt welche, die auf die Zahl der Nobelpreisträger abzielen, es gibt andere, wo die Lehre und das Betreuungsverhältnis eine große Rolle spielen. Und dann gibt es forschungsorientierte Rankings und dazu gehört einerseits das Times High Education (THE) Ranking, wo wir heuer nicht mehr gerankt wurden, weil wir kein Bachelor-Degree anbieten. Das NTU-Ranking deckt sich ziemlich gut mit dem Muster, das wir im vorigen Jahr beim THE-Ranking gesehen haben. Auf dem Gebiet der klinischen Medizin waren wir auf der Position 58 bei einem forschungsorientierten Ranking. Und hier sind wir auf der Position 65 – das ist also ein ähnliches Signal. Es geht um eine grobe Abschätzung, wie wir im internationalen Vergleich gesehen werden.

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Wie sinnvoll sind diese Rankings?

Der Präsident von Stanford hat vor kurzem in einem Interview gesagt, Rankings sind was für Angeber. Er ist der Meinung, dass sich Universitäten unabhängig von diesen Listen um ihren Ruf kümmern sollten. Wenn man Präsident von Stanford ist und ein höheres Budget hat als alle österreichischen Universitäten zusammen, kann man das leicht sagen. Ich glaube, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Nach welchen Kriterien wird beim NTU-Ranking genau bewertet?

Das ist das Interessante: Es ist ein Ranking auf Basis wissenschaftlicher Publikationen. Ein Problem, das wir immer haben, ist das Betreuungsverhältnis – das zieht uns irrsinnig hinunter, weil wir im Verhältnis noch immer viele Studenten ausbilden. Die Harvard Medical School hat insgesamt 500 Studenten – wir haben 6000 Studenten und manche in Österreich sagen noch immer, das ist zu wenig. Und die Zahl der Professoren ist etwa gleich groß. Das zeigt, dass wir nach wie vor eine große Ausbildungsinstitution mit einem nicht vergleichbaren Lehrer-zu-Schüler-Verhältnis sind. Das ist der österreichische Zugang zu Universitäten insgesamt. Bei diesem Ranking schneiden wir im Vergleich zu anderen medizinischen Universitäten respektabel ab.

Wie profitiert die Universität von einer guten Bewertung?

Ich vergleiche das gerne mit Werbe- und Modemarken. Die Frage ist, ist eine Ledertasche, die Sie sich irgendwo kaufen, schlechter als eine Gucci-Tasche. Natürlich kennt die ganze Welt Gucci und niemand kennt den Kürschner ums Eck. In Asien ist das besonders wichtig, wenn Sie mit Rektoren von asiatischen Universitäten reden, dann informieren die sich sehr genau. Insofern hat es schon eine gewisse Bedeutung für den Standort – es ist sicher nicht gut für Österreich, wenn wir in den Rankings nicht besonders gut abschneiden. Ein einzelnes Ranking herauszupicken, würde ich ablehnen. Aber es gibt ein Muster.

Sind Sie zufrieden mit dem Status quo? Was ist das Ziel?

Das Ziel sollte sein, unter den 50 besten Medizinunis der Welt zu sein. Wir liegen jetzt knapp dahinter bei 65 (NTU) bzw. 58 (THE). Es gibt einige Schulen, die immer vor uns liegen, etwa die Ludwig Maximilian Universität München, die Medizinuniversität in Zürich und Heidelberg. Das sind drei Universitäten, mit denen wir uns gerne benchmarken, weil sie europäischen Gesetzen unterliegen und damit anderen als die Amerikaner, die auch unendlich mehr Geld haben. Allein das Vermögen von Stanford macht einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag aus und unsere Universität hat ein negatives Eigenkapital. Zürich und Heidelberg funktionieren so ähnlich wie Wien und haben mehr Geld – insofern sind wir im Rahmen der Möglichkeiten relativ zufrieden.

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Die Erfinderin der Genschere, Emmanuelle Charpentier, die auch als mögliche Nobelpreisträgerin gehandelt wurde, hat in Österreich gearbeitet – aber ihr Vertrag wurde nicht verlängert. Wie realistisch ist es, dass wir solche herausragenden Forscher bei uns ausbilden und auch behalten können?

Sie ist ein gutes Beispiel, dass das in Österreich möglich ist. Sie hat erst bei ihrem letzten Besuch in Wien erzählt, dass ihre Ergebnisse auf den Vorarbeiten in Wien basieren. Hätten wir sie halten können? Die Antwort ist sicher nein. Die Umstände in Österreich sind nicht vergleichbar mit Standorten in den USA oder in Asien, die gezielt High Potentials wie beim Fußball kaufen. Das ist so wie wenn man fragt, warum spielt Alaba nicht mehr in Österreich Fußball? Weil Bayern München unendlich mehr Geld hat als Rapid oder die Vienna. Alaba ist ein österreichisches Talent, aber genauso wie er spielt Charpentier nicht mehr in Österreich. Die Königsklasse ist es, Leute von woanders abzuwerben. Bei diesem Spiel müssten wir uns die Frage stellen, schaffen wir es, amerikanische Nobelpreisträger dazu zu bringen, in Österreich zu forschen? Und die Antwort ist, natürlich nicht. Das hängt mit der realen Situation von Wissenschaft, Forschung und Bildung in Österreich zusammen.