Herzkrankheit eines Embryos mit Genschere repariert
Zum ersten Mal ist es Wissenschaftern gelungen, mit der CRISPR/Cas9-„Genscheren“-Methode bei Embryonen im frühesten Entwicklungsstadium eine krank machende Genmutation zu korrigieren und somit aus der Keimbahn zu entfernen. Die Versuche wurden am Salk Institut der Oregon Health and Science University und am Institut für Grundlagenwissenschaften von Südkorea durchgeführt und in „Nature“ publiziert.
Mutation entfernt
Es handelt sich dabei um den Versuch, eine durch die Mutation eines einzigen Gens verursachte Herzkrankheit in der Keimbahn auszuschalten - so, dass der quasi ehemalige Träger sie mit seinem Erbgut auch nicht mehr weiter übertragen kann. In den Versuchen ging es um jene Mutation im MYBPC3-Gen, welche die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) verursacht. Die Mutation kommt laut dem Salk Institut bei einem von 500 Menschen vor und ist die häufigste Ursache für einen Plötzlichen Herztod bei jungen und sonst gesunden Sportlern. Oft wird die Veranlagung bzw. die Krankheit erst mit dem Todesfall aufgedeckt. Die Betroffenen haben darüber ein 50-prozentiges Risiko, die krank machende Mutation auch ihren Nachkommen zu vererben.
„Dank den Fortschritten in den Stammzelltechnologien und beim Gen-Editieren können wir nun endlich krankheitsauslösende Mutationen angehen, die Millionen Menschen betreffen. Das Editieren von Genen steckt noch in den Kinderschuhen, obwohl dieser erste und vorläufige Versuch sicher und effektiv erscheint, müssen wir mit äußerster Vorsicht und mit größter Beachtung von ethischen Erwägungen vorgehen“, sagte Juan Carlos Izpisua Belmonte, Professor am Labor für Gen-Expression des Salk Instituts und federführender Autor der Studie. Die Wissenschafter schufen induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) aus Hautzellen eines Mannes mit der Veranlagung zu der Herzkrankheit. Dann entwickelten sie ein auf der CRISPR-Cas9-Methode basierendes Verfahren, mit dem sie zielgenau mit dem Cas9-Enzym das mutierte Gen herausschnitten und damit gleichzeitig das Reparatursystem der betroffenen Zelle aktivierten. Gleichzeitig boten sie den Zellen aber auch ein synthetisch hergestelltes intaktes MYBPC3-Gen als Reparaturmaterial an. Schließlich injizierten sie via In-Vitro-Fertilisierung die am besten funktionierenden Gen-Editiert-Komponenten in gesunde Eizellen einer Spenderin, die mit Spermien des Spenders (der Hautzellen; Anm.) befruchtet worden waren. Schließlich wurden die entstandenen Embryonen untersucht, ob die Reparatur geglückt war. Das Ergebnis: Knapp drei Viertel (72,4 Prozent) der 58 Embryonen in der Studie trugen die krankhafte Mutation später nicht mehr.
Die Wissenschafter waren überrascht, wie sicher und effizient die Methode funktionierte. Während eben ein hoher Anteil der Embryonen das mutierte MYBPC3-Gen nicht mehr aufwies, wurden keine anderen Mutationen an anderer Stelle des Erbguts hervorgerufen. Das war bisher ein Hauptgrund für Bedenken gegen die Methode. Interessant war auch, dass die Zellen, bei denen per CRISPR-Cas9 das mutierte Gen entfernt worden war, eher die gesunde Kopie des MYBPC3-Gens auf dem zweiten DNA-Strang als Modell für die Reparatur nutzten als das synthetisch hergestellte und in die Zellen eingeschleuste Gen.
So funktioniert die Genschere
Mit Hilfe der eingebauten Leitsequenz (Guide RNA) erkennt der CRISPR-Abschnitt zunächst das Ziel, also eine bestimmte Erbgut-Sequenz, die umgeschrieben werden soll. An CRISPR ist das Enzym Cas9 fixiert, es schneidet das Erbgut (das in Form eines DNA-Doppelstrangs vorliegt) an der gewünschten Stelle. Beide (CRISPR und Cas9) werden dafür synthetisch hergestellt und etwa mit Mikroinjektionen in die Zellen eingeführt.
An der durchtrennten Stelle im Erbgut werden die Reparatursysteme der Zelle aktiv und heften den DNA-Strang wieder zusammen. Dabei können Gene eingefügt oder ausgeschaltet werden, man kann defekte Erbgut-Teile ersetzen und einzelne DNA-Buchstaben verändern. Dadurch sind Eingriffe ins Erbgut viel schneller, genauer, einfacher und günstiger als mit den bisherigen Verfahren. Die Methode wurde vor einigen Jahren unter anderem von Emmanuelle Charpentier entwickelt, die zuvor an der Universität Wien tätig war. Es gibt zu dem Verfahren auch einen noch offenen Patentstreit.
„Die Verfahren zur Genom-Editierung müssen optimiert werden, bevor klinische Anwendungen erwogen werden“, schrieb das Autoren-Team. Generell entwickelten sich die Embryonen jedoch normal. „Dennoch gibt es eine klare Notwendigkeit sicherzustellen, dass solche Strategien keine anderen schädigenden Wirkungen auf den sich entwickelnden Embryo und sein Genom haben“, schrieben Nerges Winblad und Fredrik Lanner vom Stockholmer Karolinska Institut in einem „Nature“-Kommentar. Von einer wirklichen Anwendung der Technik in der Medizin ist man offenbar noch weit entfernt.