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Privat zahlen für Mutter-Kind-Pass

Die österreichische Gesundheitspolitik rühmt sich seit 1974 über die damalige Einführung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Jetzt aber sind 90 Prozent der Kassen-Gynäkologen bereit, diese Untersuchung in Zukunft nur noch auf Privathonorar durchzuführen, sagte am Donnerstag Bundesfachgruppen-Obmann Michael Elnekheli bei einer Pressekonferenz in Wien.

"Die damalige Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter (SPÖ) hatte vor 40 Jahren die visionäre Kraft, ein 'großes Schiff' zu bauen, den Mutter-Kind-Pass. Jetzt steuert dieses Schiff auf einen Eisberg zu. Da ist dringend Handlungsbedarf", warnte der Wiener Gynäkologe.

Dahinter steckt die Frage des Honorars. Es beträgt für die Untersuchung seit zwei Jahrzehnten 18 Euro. "Wir haben seit 20 Jahren keine Inflationsabgeltung bekommen. Die Gynäkologen und die Kinderärzte subventionieren seit vielen Jahren den Mutter-Kind-Pass", sagte Elnekheli. Die Konsequenz sei, dass die Untersuchungen in den Kassenpraxen nicht mehr erwünscht wären. Immerhin benötige man für einen Mutter-Kind-Pass rund 30 Minuten.

"Kein Boykottaufruf"

Die österreichischen Gynäkologen können sich mittlerweile ausgesprochen negative und vor allem für sozial Benachteiligte belastende Folgen vorstellen. Elnfekheli, der betonte, dass man keinesfalls den Eindruck "honorargieriger Ärzte" erwecken wolle: "Wir haben ein Voting unter 400 Frauenärzten durchgeführt. Mehr als 90 Prozent der Kolleginnen und Kollegen sind bereit, den Mutter-Kind-Pass in den kassenfreien Raum (nur noch auf Privathonorar; Anm.) überzuführen." Das sei aber kein Boykottaufruf.

Laut dem Bundesfachgruppenobmann der österreichischen Gynäkologen haben sich in den vergangenen 20 Jahren die Kosten für die Praxisführung verdoppelt. Elnekheli führte als Vergleich die Durchschnittskosten für eine Autospengler-Arbeitsstunde an: 152 Euro.

Wesentlich reduzieren lässt sich die Rate der Frühgeburten durch die frühe Diagnose von Infektionen während der Schwangerschaft und eine entsprechende Behandlung. "Weltweit liegt die Frühgeburtsrate zwischen drei und zehn Prozent. Wir haben in Österreich eine von acht Prozent", sagte bei der Pressekonferenz Ljubomir Petricevic von der Universitäts-Frauenklinik im Wiener AKH (MedUni Wien). Eine wesentliche Ursache sind Infektionen durch Bakterien, Pilze und Trichomonas.

"Wir können aber rechtzeitig behandeln und die Frühgeburtlichkeit dadurch um 50 Prozent reduzieren", betonte der Experte. Dies hätte eine Auswertung von Daten von 10.000 Patienten ergeben. Milchsäurebakterien-Präparate (Kapseln, nunmehr auch zum Schlucken) können helfen, eine normale vaginale Keimflora aufrecht zu erhalten. Dies gilt besonders für die Zeit nach einer Antibiotika-Therapie.