So stark sind die Gletscher noch nie geschmolzen
Die Periode 2016/17 hat für Österreichs Gletscher den bisher stärksten mittleren Rückgang in der Messgeschichte mit sich gebracht. Der Längenverlust der 75 gemessenen Gletscher betrug durchschnittlich 25,2 Meter, so viel wie noch nie zuvor, sagte Andreas Kellerer-Pirklbauer, Leiter des Messdienstes des Alpenvereins bei der Präsentation des „Gletscherberichts 2016/17“ am Freitag in Innsbruck.
Nur ein einziger Gletscher, der Simonykees in der Venedigergruppe in Osttirol, wies im Beobachtungszeitraum keinen Längenverlust auf. Hauptgrund für den starken Rückgang sei der außergewöhnlich warme Sommer im vergangenen Jahr gewesen. Auch der warme und schneearme Winter 2016/17 sei für den Fortbestand der Eisriesen nicht förderlich gewesen. „Im Mittel war es fast um ein Grad zu warm“, erklärte Kellerer-Pirklbauer, Geologe an der Uni Graz.
Auch der geringe Niederschlag habe sich ungünstig auf die Gletscher ausgewirkt. Bis Ende April 2017 sei vielerorts nur die Hälfte bis zwei Drittel der durchschnittlichen Niederschlagsmengen gefallen. „Die Gletscher haben einfach zu wenig zu essen bekommen“, meinte der Geologe. Bereits im Juni seien die Gletscherzungen teilweise schon frei gewesen.
Deutlich über dem Vorjahr
Der durchschnittliche Rückgang von 25,2 Metern liege deutlich über den Messdaten des Vorjahres (minus 14,2 Meter) und weit über dem Mittel der vergangenen zehn Jahre (minus 16,5 Meter). Während der höchste Rückzug im Berichtsjahr 2015/16 noch bei 65 Metern (Hornkees) lag, übertrafen 2016/17 gleich sechs Gletscher diesen Wert. Der höchste Rückzug wurde am Gepatschferner in den Ötztaler Alpen mit 125 Metern gemessen. Das Waxeggkees in den Zillertaler Alpen wies einen Schwund von 120 Metern auf, gefolgt vom Winkelkees in der Ankogelgruppe mit 118 Metern. Dahinter folgen der Alpeinerferner in den Stubaieralpen mit einem Rückgang von 95 Metern und der Freiwandkees in der Glocknergruppe mit minus 89 Metern.
Trübe Zukunft
Auch die Zukunft der österreichischen Gletscher sehe eher trüb aus. „Es wird so weiter gehen“, meinte Gerhard Karl Lieb, ebenfalls Leiter des Messdienstes und Geologe an der Uni Graz. Auch der vergangene niederschlagsreiche Winter werde daran nicht viel ändern. „Wenn etwas mehr Schnee liegt, ist die Situation zwar etwas günstiger. Wirklich entscheidend ist aber der Sommer“, so Lieb. Für die heimischen Eisriesen wäre demnach ein im Tal kühler und verregneter Sommer gut.
Die aktuelle Gletschermessung für das Berichtsjahr 2016/17 wurde unter neuer, doppelt besetzter Leitung durchgeführt. Lieb und Kellerer-Pirklbauer hatten vergangenes Jahr die ehrenamtliche Funktion von Glaziologin Andrea Fischer übernommen. Lieb und Kellerer-Pirklbauer sind am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz tätig. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Erforschung natürlicher Prozesse im Hochgebirge.