Wie wirksam sind Schulschließungen als Corona-Maßnahme wirklich?
Peter Klimek ist Physiker, Professor an der Meduni Wien und Mitglied im sogenannten Corona-Prognose-Konsortium des Gesundheitsministeriums. Zuletzt entwarf er mit einem Team ein Modell für das Infektionsrisiko an Schulen.
Allem voran betont der Modellrechner: "Diese Pandemie ist ein regionales Phänomen." Heißt, um das Infektionsgeschehen generell zu verstehen und sinnvolle Maßnahmen zu setzen, muss man sich regionale Entwicklungen ansehen. Und die zweite Botschaft: "Die Wirksamkeit nur einer einzelnen Maßnahmen gibt es nicht." Einerseits aus wissenschaftlicher Sicht allein deshalb, weil keine der Maßnahmen je isoliert in einem kontrollierten Experiment untersucht wurde. Aber auch aus praktischen Gründen und da seien die Schulen das beste Beispiel.
Denn haben Schulen geschlossen, bedeutet das: Nicht nur die Schülerinnen und Schüler bleiben zu Hause, sondern auch viele Eltern, um die Kinder zu Hause zu betreuen. "Man sieht, dass sich in den Zeiten der Schulschließungen auch die Mobilität insgesamt stark reduziert, woraus man auch schließen kann, dass die Leute generell weniger Kontakte außerhalb ihres Haushalts haben", sagt Klimek.
Bei einer statistischen Auswertung der Corona-Fallzahlen in Kombination mit den jeweils geltenden Maßnahmen sei jedenfalls aufgefallen, dass Schulen mitunter "ganz oben aufschlagen". "Dann haben wir genauer hingeschaut, um das auch zu verstehen."
Gibt es einen Alterseffekt?
Die zentralen Erkenntnisse dabei: "Je älter die Schülerinnen und Schüler sind, desto häufiger gehen die Cluster vom Lehrpersonal aus. Und was wir auch sehen: Je älter die Schülerinnen und Schüler, desto häufiger erkranken sie symptomatisch."
Das Alter beziehungsweise die Schulstufe spielen auch eine Rolle. "Es gibt eine gewisse Altersabhängigkeit, was das Übertragungsrisiko betrifft. Bei 6-Jährigen ist dieses Risiko um 25 Prozent geringer als bei 18-Jährigen." Diesen Unterschied solle man jedoch nicht überbewerten. Gründe dafür könnten sein, dass Jüngere etwa ein kleineres Lungenvolumen hätten oder Aerosole auf einer niedrigeren Höhe ausscheiden würden.
Schlüsselpunkt "Kontaktnetzwerk"
Viel eher sollte man die Schulstufe und den damit verbundenen täglichen Ablauf in der Debatte rund um die Schulen im Auge haben. In der Volkschule etwa hat das Lehrpersonal Kontakt zu den Klassen, die Schülerinnen und Schüler wiederum Kontakt zu den Eltern und teilweise gebe es einzelne Eltern, die "Brücken" zwischen manchen Klassen darstellen. Viel dichter sieht das sogenannte Kontaktnetzwerk aber in Oberstufen aus. "Dort gibt es viel mehr Klassen, es gibt mehr Schülerinnen und Schüler, mehr Lehrpersonal. Und jeder Lehrer, jede Lehrerin geht jede Stunde in eine andere Klasse."
Zusammenfassung: Eine Maßnahme alleine reiche nicht, es brauche immer ein Bündel, das auch an die regionale Situation angepasst ist. "Jede Maßnahme hat Lücken, deshalb sollte man immer mehrere hintereinander schalten. In der Oberstufe besser mehr als in der Volkschule."