Kinderunfälle: "Wohnbereich ist nicht der sicherste Ort für Kleine"
Wie gefährlich leben Kinder in Österreich? Das Corona-Jahr 2020 mit seinen Einschränkungen brachte eine geringere Gesamtzahl an Kinderunfällen, vor allem bei Sportunfällen, zeigte eine neue Auswertung von Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) und Klinikum Donaustadt (vormals SMZ Ost). Doch die Anzahl der im Haushalt entstandenen Verletzungen bei Kindern unter sechs Jahren stieg deutlich an.
Bei Kleinkindern blieb die Anzahl der Behandlungen auf ähnlichem Niveau wie 2019. In der Ambulanz wurden deutlich häufiger Kinder mit Verbrennungen oder Kopfverletzungen behandelt. Auch hat sich das Verschlucken oder Einatmen von Fremdsubstanzen wie Knopfbatterien, Magneten oder Haushaltsreinigern anteilig an den Gesamtunfallzahlen verdoppelt. "Für Kinder mit naturgewolltem Bewegungsdrang waren die Verhältnisse absolut einengend. Der Wohnbereich ist nicht der sicherste Ort und weist auch tückische Unfallgefahren auf", so Rokitansky.
Um das Risiko zu minimieren, empfiehlt der Mediziner, keine kleinen Gegenständen in Reichweite von Kleinkindern liegen zu lassen und Haushaltsreiniger in Gefäßen mit kindersicherem Verschluss aufzubewahren. Auch sei Vorsicht bei Spielen mit Magneten geboten.
Mit leichten Verletzungen kamen Familien insgesamt weniger ins Spital. Ein schlechtes Zeichen für Alexander Rokitansky, Vorstand der Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie am Klinikum Donaustadt. Er meinte, dass viele Eltern aus Angst vor Ansteckungen zugewartet oder problematischerweise gar Laienbehandlungen an ihren Kindern durchgeführt hätten. "Etliche Verletzungen blieben im Lockdown unbehandelt."
Eine Aussage über Verletzungen durch Gewalt in der Familie konnte die Auswertung nicht treffen, antwortete er auf Nachfrage.
Zu viele Unfälle bei Kindern
Mehr als eine halbe Million Kinder seien von 2015 bis 2019 verunfallt und 105 daran gestorben, wies KFV-Obmann, Othmar Thann auf die "besorgniserregend" hohe Anzahl an Kinderunfällen in Österreich hin. Neben Krankheiten wie Krebs würden Unfälle zu den größten Gesundheitsrisiken für Kinder zählen. Dennoch fühle sich niemand auf Bundes- oder Landesebene zuständig, Kinderunfälle in den Griff zu bekommen.
"In den letzten zehn Jahren wurde nichts Konkretes dagegen unternommen. Unfälle sind kein Naturgesetz, sie sind vermeidbar", sagte Thann. Was es brauche, sei ein bundesweites Programm zum Schutz von Kindern vor Unfällen, wie es in skandinavischen Ländern oder Frankreich vorhanden ist.
Auch müsse die Bevölkerung verstärkt in Erste Hilfe aus- und weitergebildet werden, meinte Thann. So ließe sich die Anzahl der kleinen Patienten in den Krankenhäusern, deren Wunden mit Kaffeesud, Zahnpasta, Tabak oder Henna von den Eltern oder Bezugspersonen unsachgemäß "behandelt" wurden, verringern.