Infektiologen sorgen sich wegen unvorsichtiger Fans bei der EURO
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Bernd Salzberger, sieht die Fußball-Europameisterschaft mit Sorge. „Ich verstehe den Drang nach draußen und in die Biergärten. Draußen zu feiern ist sicher besser als in geschlossenen Räumen zu feiern, aber gerade die Begeisterung lässt auch Tröpfchen und Viren fliegen“, sagte der Infektiologe vom Universitätsklinikum Regensburg der dpa. „In dieser Situation ist die EM beziehungsweise jede große Veranstaltung vermutlich keine gute Idee.“
Unvorsichtig im Fußballfieber
Tausende Fans hatten am Wochenende in den Stadien und in vielen europäischen Städten feucht-fröhlich - und vielfach ohne Masken oder Abstand - die Spiele der Vorrunde gemeinsam angesehen. Biergärten und Gaststätten waren teilweise brechend voll mit Fans, die auf Bildschirmen die TV-Spiele verfolgten.
Getrübt wurde die Freude aus Sicht von Experten vor allem von der Ignoranz Tausender Fans etwa in der Allianz-Arena in München, denn sie trugen entgegen der ausdrücklichen Vorschrift keine FFP2-Masken.
„Mit einer gewissen Hoffnung schaue ich auf die niedrigen Inzidenzen in fast ganz Europa“, sagte Salzberger. „Trotzdem machen mir die vollen Stadien zur Zeit Sorgen. Der Zustand in Großbritannien zeigt, dass wir auch mit dem derzeitigen Stand der Impfung noch nicht sicher sind.“
Lockerer im Freien
Die Münchner Virologin Ulrike Protzer fügte am Montag hinzu: „Ich denke, in den Biergärten kann man ruhig lockerer sein, da die Infektionszahlen insgesamt ja sehr niedrig sind und damit auch das Risiko gering, dass man jemanden trifft, der infiziert ist.“ Schließlich sei die die Ansteckungsgefahr im Freien minimal.
Die EM durchzuführen, halte sie für vertretbar. „Wir müssen ja langsam wieder in Richtung Normalität zurückkehren“, sagte die Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz Zentrum München und an der Technischen Universität München. „Ein Risiko sehe ich allerdings für die Ausbreitung von Virus-Varianten, ob der vielen internationalen Gäste, wenn der Abstand beim Schreien nicht eingehalten wird beziehungsweise beim Ein- und Auslass, und dabei keine Masken getragen werden.“
Forderungen an die Veranstalter
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als Gastgeber der vier EM-Spiele in München hatte versprochen, die Zuschauer besser zum Tragen der Masken zu bewegen - doch vergeblich. Holetschek setzte deswegen schon am Samstagabend direkt nach dem Portugal-Spiel den DFB unter Druck und forderte den Verband auf, plausibel darzulegen, wie er beim nächsten Spiel am Mittwoch gegen Ungarn die Masken-Regeln durchsetzen will. Etwas immerhin ist im Stadion klar geregelt: Laut DFB dürfen nur Fans in die Arena, die von einer Covid-Erkrankung genesen sind, vollständig gegen das Virus geimpft oder frisch negativ getestet wurden.
Diese Kontrolle hat man jenseits des Stadions jedoch nicht - und beim Public Viewing hielten sich längst nicht alle Menschen im Freudentaumel an die Abstandsregeln und sonstige Anti-Corona-Maßnahmen. Stattdessen lagen sich nach den Toren der deutschen Fußball-Nationalmannschaft die Fans in den Armen und waren dicht an dicht gedrängt, wie Reporter berichteten.