Ein Jahr danach: E-Zigaretten in den USA immer noch gefährlich
Im Herbst stieg in den USA die Zahl der Toten in Zusammenhang mit E-Zigaretten rasant an. Experten waren besorgt, der Verkauf wurde beschränkt. Ein Jahr nach dem ersten Fall sinken die Zahlen, aber die Krise ist noch nicht vorbei - und trifft nun auf das Coronavirus.
Fast jede Woche musste die US-Gesundheitsbehörde CDC im vergangenen Herbst steigende Zahlen verkünden. Über den Sommer hinweg waren nur ein paar Dutzend Fälle bekannt geworden, bei denen Menschen wegen Gesundheitsschäden nach dem Gebrauch von E-Zigaretten ins Spital gekommen waren. Doch dann kletterten die Zahlen immer weiter nach oben und schließlich wurden Todesfälle bekannt. "Zutiefst besorgniserregend" sei das alles, sagte CDC-Direktor Robert Redfield und US-Präsident Donald Trump bezeichnete das Vaping (Dampfen von E-Zigaretten) als "großes Problem".
Der erste Fall im Spital wurde dem CDC am Dienstag (31. März) vor genau einem Jahr gemeldet, auch wenn es wahrscheinlich ist dass es vorher schon Fälle gegeben hat. Seitdem kamen mehr als 2.800 weitere registrierte Erkrankte hinzu, rund 70 Menschen starben.
Erkrankte erleben meist Husten, Atemnot und Schmerzen im Brustkorb, oft auch Magen-Darm-Probleme, Müdigkeit, Schwindel und Fieber, manchmal auch entzündete Lungen. Bei einigen Betroffenen führte Lungenversagen zum Tod. Die Fallzahlen nehmen seit Ende September weitgehend kontinuierlich ab - vorbei ist die Krise in den USA aber noch lange nicht.
Giftige Chemikalien
E-Zigaretten enthalten keinen Tabak. In der Regel wird eine nikotinhaltige Flüssigkeit (Liquid) erhitzt, mit dem Verdampfen kann sie eingeatmet werden. Europaweit ist bisher kein mit den USA vergleichbarer Anstieg von Lungenschädigungen bekannt. Die Beschwerden scheinen sich auf Nutzer in Nordamerika zu beschränken. In unseren Breiten ist die Zusammensetzung der Wirkstoffe von E-Zigaretten strenger reguliert als in den USA.
Die Ursache der Gesundheitsschäden in den USA konnte noch nicht sicher ermittelt werden. Den bisherigen Forschungen der CDC zufolge stellt sehr wahrscheinlich Vitamin-E-Acetat die Hauptursache dar. Es wurde in den USA als Zusatzstoff in THC-haltigen Liquids verwendet. Andere Chemikalien könnten aber auch dazu beitragen.
Als Reaktion auf die Fälle beschränkte die US-Regierung Anfang des Jahres den Verkauf von E-Zigaretten mit Geschmacksrichtungen, die besonders Jugendliche ansprechen - wie etwa Frucht oder Minze. Das Mindestalter zum Kauf von Tabakprodukten und E-Zigaretten wurde von 18 auf 21 Jahre angehoben. Der umstrittene Anbieter Juul Labs war dem schon zuvor gekommen und hatte den Verkauf von aromatisierten E-Zigaretten mit Fruchtgeschmack in den USA bereits eingeschränkt.
Vaping - eigentlich als Aussteige-Hilfe für Raucher gedacht - hatte sich in den USA besonders bei Jugendlichen zum Trend entwickelt, auch bei denen, die vorher gar nicht geraucht hatten. Andere Nutzer sind oft Menschen, die zum Abgewöhnen von Tabak-Zigaretten umsteigen.
Die neuen Regelungen der US-Regierung ließen allerdings "Schlupflöcher" offen, die zahlreiche Anbieter längst zur Entwicklung neuer Produkte genutzt hätten, und viele Jugendliche würden weiter vapen, sagte Matt Myers von der Aktivistengruppe Campaign for Tobacco-Free Kids jüngst dem Radiosender NPR. Die Gesundheitsbehörde CDC rät weitgehend vom Vaping ab, für Jugendliche sogar grundsätzlich.
Coronavirus verschärft Lage
Zudem kommt nun eine weitere Sorge: Menschen, deren Lungen durch Vaping geschädigt wurden, könnten nach ersten Indizien anfälliger für eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus sein. So war beispielsweise einer der ersten Coronavirus-Fälle in New York ein 22 Jahre alter Mann. "Warum ist ein 22-Jähriger zu diesem Zeitpunkt stabil, aber im Spital? Der einzige Faktor, den wir kennen, ist, dass er ein Vaper ist", kommentierte Bürgermeister Bill de Blasio. "Wir wissen nicht, ob er sonst noch irgendwelche Vorerkrankungen hat, aber wir glauben, dass der Fakt, dass er Vaper ist, diese Situation beeinflusst."
Experten verweisen darauf, dass bei Vapern zwar noch viel zu wenig über den Einfluss auf Corona-Infektionen bekannt sei. "Aber alles, was die Lungen schädigt, vergrößert das Risiko, anfällig zu sein", sagte die New Yorker Kardiologin Tara Narula dem TV-Sender CBS. "Wenn es nicht schon immer Gründe gegeben hat, aufzuhören - hier ist noch einer."