Wissen/Gesundheit

Corona-Krise: Neue Telefon-Hotline für psychische Belastungen

"Wir wissen aus internationalen Daten, dass auf die virale Pandemie in der Regel eine psychische Pandemie folgt", betonte Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien, bei einer Skype-Pressekonferenz am Montag. "Es war uns daher wichtig, ein niederschwelliges Angebot für die breite Bevölkerung zu schaffen, wo psychosoziale Belastungen, die aus der Corona-Krise resultieren, ausgesprochen werden können."

Seit heute gibt es daher eine neue Telefon-Hotline der psychosozialen Dienste der Stadt Wien für alle, die unter der derzeitigen Situation leiden. Ein Team aus Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern und einem Psychiater berät und vermittelt gegebenenfalls an weiterführende spezifische Hilfsangebote. 

Trennungen und Gewalt

Die Sorgen und Nöte der Österreicher in Bezug auf Covid-19 sind vielseitig, reichen mittlerweile von drohendem Jobverlust über Angststörungen bis zu familiären Problemen und Depressionen. "Nachdem die medizinische Situation bisher gut bewältigt werden konnte, sind wir jetzt mit massiven Schäden im psychischen Bereich konfrontiert", sagt Thomas Kapitany, Facharzt für Psychiatrie und stellvertretender ärztlicher Leiter des Kriseninterventionszentrums.

Zugenommen hätten vor allem Krisen in persönlichen Beziehungen: "Durch das Zusammensein auf engem Raum entstehen neue Konflikte, bestehende werden verstärkt. Es kommt derzeit vermehrt zu Trennungen. Wir haben deutliche Hinweise, dass auch die Gewaltbereitschaft steigt." Schwierig sei die Situation auch für getrennt lebende Elternteile und Frauen, "die derzeit massiv unter der Doppelbelastung leiden": "Es ist ein riesen Thema, wann die Schulen und Kindergärten wieder geöffnet werden."

Gefährliche Einsamkeit

Auf der anderen Seite kämpfen Alleinlebende in der Isolation mit Einsamkeit, viele würden jetzt Angststörungen und Depressionen entwickeln, berichtet Kapitany. "Wir haben es mit einer gefährlichen Entwicklung zu tun und müssen befürchten, dass es im Zuge der Pandemie auch zu Suiziden kommen wird."

Laut Michael Musalek, Psychiater und ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts, sind Suchterkrankte derzeit besonders gefährdet. "Es handelt sich ohnehin um eine extrem stigmatisierte Krankheit. Die Ausgangsbeschränkungen führen dazu, dass sich Betroffene noch mehr zurückziehen und nicht die entsprechenden Institutionen aufsuchen."

Auch Menschen, die bis dato keine Suchterkrankung hatten, würden nun verstärkt auf die vermeintlich entspannende Substanz Alkohol zurückgreifen, warnt Musalek. "Manche Menschen sind momentan verleitet, ihre Probleme mit Alkohol zu lösen. In geringen Dosen kann Alkohol entspannend wirken, in regelmäßigen höheren Dosen führt er zu Depressionen, man fühlt sich freudlos und antriebslos und möchte noch mehr trinken." Auch sie können über die Hotline Hilfe finden.

Gerade jetzt sollten wir überlegen, wie wir das Leben in der Krise neu gestalten können, so Musalek. "Der Terminus 'psychosoziale Distanz' ist fatal. Wir sollen körperlichen Abstand halten, gleichzeitig brauchen wir aber psychosoziale Wärme und Nähe. Je besser und freudvoller wir uns fühlen, desto stärker ist auch unser Immunsystem."

Info: Die Corona-Sorgenhotline ist unter 01 4000 53000 täglich von Montag bis Sonntag zwischen 8 und 20 Uhr erreichbar.

Erstberatung der Vereinigung Österreichischer Psychotherapeuten
Terminvereinbarung unter www.voepp.at/schnelle-hilfe

Telefonseelsorge
Die Telefonseelsorge steht unter 142 rund um die Uhr als vertraulicher Notrufdienst zur Verfügung

Rat auf Draht
Auch Rat auf Draht ist unter 147 rund um die Uhr erreichbar

Frauenhelpline
Unter der Telefonnummer 0800222555 finden von Gewalt betroffene Frauen Hilfe

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