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Fortschritte im Kampf gegen multiple Sklerose

Es traut sich noch keiner von Heilung zu sprechen, doch die neuesten Fortschritte bei der Bekämpfung von multipler Sklerose sind vielversprechend und bergen Hoffnungspotenzial.

Zum einen wird gerade ein Wirkstoff entwickelt, der – zumindest im Tierversuch – die Erkrankung aufhalten konnte. Entdeckt hat diesen Wirkstoff Ass.-Prof. Christian W. Gruber von der MedUni Wien mit seinem Team in einer afrikanischen Heilpflanze. Ein darin enthaltenes Eiweißmolekül bremst das überaktive Immunsystem. Denn bei multipler Sklerose werden die Signalwege des Körpers beeinflusst. Das löst eine Überfunktion des Immunsystems aus – dadurch beginnt der Körper, die eigenen Nervenzellen anzugreifen.

"Den genauen Mechanismus des Wirkstoffs kennen wir noch nicht, aber schon nach einmaliger Gabe hat sich die Zahl der überreaktiven T-Zellen deutlich verringert", erklärt Gruber.

Heilpflanze

Warum die Pflanze Oldenlandia affinis – in afrikanischen Stämmen "kalata-kalata" genannt – diesen Mechanismus entwickelt hat, ist noch nicht ganz erforscht. Sie hat in Teilen Afrikas eine lange Tradition als Heilpflanze. So wird ihr Tee etwa zur Geburtseinleitung eingesetzt. "Wir gehen davon aus, dass die Pflanze mittels dieser Eiweißmoleküle Fraßfeinde abwehrt – um zum Beispiel Insektenschädlinge zu bekämpfen."

Bisher wurde der Effekt auf MS nur im Tierversuch mit Mäusen belegt. Das schwedische Unternehmen "Cyxone" ist nun vor kurzem mit der Erfindung der MedUni Wien und der Uni-Klinik Freiburg an die Börse gegangen – mit 2,5 Mio. Euro Aktienkapital wurde nun genug Geld für die Vorbereitung einer klinischen Phase-1-Studie eingenommen. Damit wird das Medikament voraussichtlich Anfang 2018 erstmals am Menschen getestet werden. Bis dahin müssen noch die Wirksamkeit und Sicherheit im Tierversuch gewährleistet werden.

Gruber: "Die Anwendung des Medikaments wäre prinzipiell für jene Patienten denkbar, die schon an MS-Symptomen leiden. Aber auch für jene, die gerade die Diagnose MS bekommen haben, um den typischen Verlauf der Krankheit aufzuhalten." Ein Vorteil des Wirkstoffs: Im Gegensatz zu vielen MS-Medikamenten kann dieser als Tablette eingenommen werden. Damit ersparen sich die Patienten mühsame Injektionen.

Immunsystem rebooten

Einen Schritt weiter ist ein Forschungsprojekt am kanadischen Ottawa Hospital Research Institute. Bei der Behandlung von leukämiekranken MS-Patienten entdeckte man zufällig, dass die Stammzelltherapie – und damit das neue Aufsetzen des gesamten Immunsystems – offenbar nicht nur gegen den Krebs hilft, sondern auch die MS-Erkrankung bekämpft.

Dabei wird den Patienten Knochenmark entnommen, die Immunzellen werden entfernt und dann wird das Knochenmark zurück in den Körper injiziert, um das Immunsystem neu aufzubauen. Nach ersten erfolgreichen Ergebnissen erprobten die Forscher die Methode bei MS-Patienten ohne Krebs. Es zeigte sich, dass die Krankheit dadurch nicht nur gestoppt wurde – die bisher angerichteten Schäden konnten sogar rückgängig gemacht werden, berichten die Forscher im renommierten Fachjournal The Lancet.

Riesiges Potenzial

Seit dem Jahr 2000 wurden 24 Betroffene mit dieser Methode behandelt – bei 17 davon zeigten sich Erfolge wie ein Stopp der Krankheit oder eine Selbstheilung des Nervensystems. Allerdings gab es auch einen Todesfall. Daher wird die Behandlung derzeit nur bei sehr schweren Fällen angewandt – die Forscher sprechen von einem riesigen Potenzial, allerdings müsse die Behandlung noch sicherer gemacht werden. Eine Patientin, die durch MS schon im Rollstuhl saß, geht inzwischen Skifahren und hat den Führerschein gemacht.

Gruber bekräftigt das Potenzial der Methode, warnt aber vor voreiliger Euphorie. "Die Ergebnisse sehen vielversprechend aus und die Methode wäre prinzipiell auch in Österreich durchführbar. Die Studie basiert bisher aber nur auf geringen Zahlen und es muss zuerst die Sicherheit für die Patienten gewährleistet werden. Man muss weitere Studien abwarten – womöglich ist die Therapie nicht für jede Art Form von MS einsetzbar."

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