Forscher rütteln am Saurier-Stammbaum
"Alle großen Lehrbücher, die das Thema Evolution der Wirbeltiere abdecken, müssen neu geschrieben werden, wenn unser Vorschlag die akademische Kontrolle überlebt." Das sagt David Norman von der Universität Cambridge, der mit Paläontologen-Kollegen Dutzende fossile Dino-Skeletten sorgfältig analysiert hat. Die Forscher kamen zum Schluss, dass der lange akzeptierte Stammbaum der Saurier falsch ist und die traditionellen Namen vollständig verändert werden müssen. Sie publizierten ihre Ergebnisse im aktuellen Wissenschaftsmagazin Nature.
Seit 130 Jahren gilt das Klassifikationssystem, wonach Dinos in zwei Kategorien eingeteilt werden: Ornithischia (Vogelbecken-Dinosaurier) und Saurischia (Echsenbecken-Dinosaurier).
Uralt-Einteilung
Die Gruppen gehen auf viktorianische Zeiten zurück. 1842 erkannte man, dass Dinosaurier eine einzigartige Gruppe von fossilen Reptilien waren – das Ergebnis der Arbeit des Anatomen Richard Owen. Da immer mehr Fossilien gefunden und identifiziert wurden, kristallisierte sich heraus, dass Dinosaurier anatomisch vielfältig waren. Es wurden Versuche unternommen, sie in Gruppen zusammenzufassen, die Besonderheiten miteinander verknüpften, heraus kamen, vorgeschlagen vom Paläontologe Harry Govier Seeley, zwei verschiedene Gruppen – ausgehend von der Anordnung der Hüftknochen; je nachdem, ob sie eidechsenartig (Saurischia) oder vogelartig (Ornithischia) waren. Als immer mehr Dinosaurier beschrieben wurden, kamen die Theropoden, zweibeinige Raubsaurier, dazu.
"Als wir unsere Analyse begannen, waren wir verwirrt, warum einige Ornithianer den Theropoden anatomisch so ähnlich waren", sagt Matthew Baron von der Universität Cambridge. Darum sind der Hauptautor und seine Kollegen zum Schluss gekommen, dass die pflanzenfressenden Ornithiker zu den fleischfressenden Theropoden gehören müssen.
Vögel-Urväter
Es ist seit langem bekannt, dass Vögel mit ihren offensichtlich "vogelähnlichen" Hüften aus Theropod-Dinosauriern mit ihren eidechsenartigen Hüften entstanden sind. Die neuen Erkenntnisse der britischen Wissenschaftler deuten nun darauf hin, dass beide – Ornithiker und Theropoden – das Potenzial hatten, eine vogelähnliche Hüftanordnung zu entwickeln – das taten sie einfach zu verschiedenen Zeiten in ihrer Geschichte.
Seit vielen Jahren wurde außerdem angenommen, dass Dinosaurier in der südlichen Hemisphäre, auf dem alten Kontinent Gondwana, entstanden sind. Auch weil man die ältesten Dinosaurierfossilien aus Südamerika kennt, was darauf hindeutet, dass die frühesten Dinosaurier eben dort entstanden sind. Jetzt glauben die Forscher aber, die Dino-Geburtsstunde könnte genauso leicht auf der nördlichen Landmasse Laurasia geschlagen haben.