Wozu braucht's Mathematik?
Von Nina Horcher
Als Schauspieler Ryan Gosling mit Emma Stone in "La La Land" unter dem Nachthimmel tanzte, war das wohl kein Moment, an dem die Zuschauer an mathematische Formeln dachten. Dennoch steckt hinter der Inszenierung auf der Leinwand mehr aus dem Mathe-Unterricht, als gedacht: "Analytische Geometrie ist eigentlich Basis jeder Animation im Film.", weiß Daniela Schiefeneder vom Institut für Mathematik an der Universität Innsbruck. Das ist nur ein Beispiel von vielen, die es ohne mathematische Grundlage so nicht gäbe. Tatsächlich wird auf das erste Wissen der Algebra später im Studium aufgebaut, so Schiefeneder: "Ein sicherer Umgang mit elementaren Rechnungen, wie Lösen von Gleichungen und Bruchrechnungen, wird vorausgesetzt."
Logisches Denken
Aber nicht nur in den Naturwissenschaften, auch für die Geistes- und Sozialwissenschaften ist mathematisches, also logisches, Denken bedeutend. Mathematiker sind laut Schiefeneder besser darin, logisch, abstrakt und präzise zu schließen und so in der Lage, strukturierter zu arbeiten. Im Endeffekt seien es diese Merkmale, die sie für Arbeitgeber attraktiv machen. Auch abseits naturwissenschaftlicher Berufen werden mathematische Kenntnisse in vielen Bereichen vorausgesetzt: Marktforschung, Soziologie oder Architektur sind laut AMS nur ein paar Beispiele.
Für Univ.-Prof. Reinhard Winkler vom Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie an der TU Wien ist mathematisches Denken nicht nur von beruflicher, sondern vor allem von gesellschaftlicher Bedeutung: "Jeder weiß, dass Mathematik in der Physik, Technik und im Finanzwesen eine Rolle spielt. Aber das, was die Gesellschaft wirklich verbessert, ist die Aufgeklärtheit ihrer Mitglieder. Klares Denken ist dafür essenziell." Bereits bei der Sprachentwicklung könne Mathematik viel leisten und eine genauere Ausdrucksfähigkeit unterstützen. "Viele Menschen haben Probleme damit, zu sagen, was sie meinen. Durch die Präzision der Mathematik könnte das exemplarisch vorgeführt werden", so Winkler.
Besseres Sprachgefühl
Für Renate Höglinger-Lentsch und Ute Vonkilch vom Recheninstitut Wien beginnt das Problem bereits in der Volksschule: Viele mathematischen Inhalte sind nicht mehr zeitgemäß oder realitätsfern. "Da tauchen Textaufgaben auf, deren Inhalt für Kinder in jener Altersstufe auf wenig Interesse stoßen, was das Arbeiten nicht gerade fördert", so Höglinger-Lentsch und Vonkilch. Dabei sei ein logisches Grundverständnis die Voraussetzung dafür, ein mathematisches Fundament überhaupt erst aufzubauen. Der Fehler vieler Lehrer sei, sich zu sehr an den Lehrbüchern und zu wenig am vorgesehenen Lehrplan zu orientieren.
Ein Blick in diesen zeigt: Querverbindungen zu anderen Bereichen herzustellen, ist für den Mathe-Unterricht durchaus vorgesehen. Als Bildungs- und Lehraufgabe wird im AHS-Lehrplan für Mathematik des Bildungsministeriums beschrieben, "die Schülerinnen und Schüler sollen die vielfältigen Aspekte der Mathematik und die Beiträge des Gegenstandes zu verschiedenen Bildungsbereichen erkennen."
Über den Tellerrand
Die Schulung des mathematischen Denkens habe laut Winkler weitreichende Folgen und übertrage sich auf andere Gegenstände: "Es geht um die Art und Weise, wie man mit seinem eigenen Bewusstsein die Welt verarbeitet, speichert und sich eigenständige Gedanken darüber macht."
Er bemerke oft deutliche Unterschiede zwischen Mathematik-affinen Menschen und jenen, die die Zusammenhänge beim Rechnen im Schulunterricht nicht verstanden haben: "Es gibt von Abraham Lincoln ein Zitat, das sich gut als Beispiel eignet: ’You can fool all people for some time, you can fool some people for all time but you cannot fool all people for all time.’ (Übersetzung: Manche Leute lassen sich immer zum Narren halten, und alle Leute manchmal, aber man kann nicht alle Menschen immer täuschen.) Das ist sehr simpel, aber so feine begriffliche Unterscheidungen verstehen Mathematiker oft schneller."