Forscher entdeckten Achillesferse des Coronavirus
Forschende der bekannten technisch-naturwissenschaftlichen Hochschule ETH Zürich haben eine wichtige Schwachstelle des Coronavirus entdeckt: Stört man einen bestimmten Prozess, hemmt das die Vermehrung des Erregers. Aus dieser Erkenntnis lässt sich möglicherweise ein Medikament entwickeln, das alle Varianten angreift.
Das Zauberwort heißt "Frameshifting": Beim schrittweisen Ablesen des Bauplans aus Ribonukleinsäure (RNA) "verzählt" sich das Ribosom - die zelleigene Proteinfabrik - gelegentlich und lässt Buchstaben aus. Bei gesunden Zellen kommt das selten vor, denn aus einer falsch abgelesenen und kopierten Reihenfolge resultieren dysfunktionale Proteine.
Antivirale Medikamente
Gewisse Viren wie Coronaviren oder das HI-Virus sind allerdings auf solche Verschiebungen des Leserasters zwingend angewiesen, um die Produktion ihrer Proteine zu regulieren. Das SARS-Cov-2-Virus, welches Covid-19 verursacht, führt das Frameshifting durch eine ungewöhnliche und komplexe Faltung seiner RNA herbei, schreibt das Forscherteam in einer Mitteilung vom Freitag. "Chemische Substanzen, die auf diese speziell gefaltete virale RNA abzielen, (könnten) möglicherweise als antivirale Medikamente genutzt werden".
Allerdings fehlten bisher genaue Informationen über die Wechselwirkung der viralen RNA mit dem Ribosom der befallenen Wirtszelle. Forschenden der ETH und der Universitäten Bern, Lausanne und Cork (Irland) ist es nun gelungen, diesen Vorgang zu beobachten, wie sie in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Science erläutern. Sie haben das Virus sozusagen eiskalt erwischt.
Mittels ausgeklügelter biochemischer Experimente konnten sie das Ribosom an der Frameshifting-Stelle der Coronavirus-RNA "einfrieren". Diesen Molekülkomplex konnten die Wissenschafter dann mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie untersuchen.
Betrifft alle Coronaviren
Sie sind auch schon einen Schritt weitergegangen und haben versucht, den Vorgang mit chemischen Substanzen gezielt zu beeinflussen. Sie fanden zwei chemische Verbindungen, welche die virale Vervielfältigung um das Tausend- bis Zehntausendfache verringert - und das, ohne toxisch zu sein für die damit behandelten Zellen.
Da alle Coronaviren auf diesen Frameshifting-Mechanismus angewiesen sind, könnte ein auf diesen Vorgang abzielendes Medikament auch nützlich sein, um Infektionen durch andere, entfernter verwandte Coronaviren zu behandeln.
"Unsere zukünftige Arbeit wird sich darauf konzentrieren, die zellulären Abwehrmechanismen zu verstehen, die das virale Frameshifting unterdrücken, da dies für die Entwicklung von kleinen Wirkstoffen mit ähnlicher Aktivität nützlich sein könnte", erklärt Nenad Ban, Professor für Molekularbiologie der ETH Zürich und Co-Autor der Studie, in der Mitteilung.