ELGA: Mogelpackung oder Segen?
Von Patricia Haller
Vor nicht allzu langer Zeit warnte Datenschützer Hans Zeger vor der Elektronischen Gesundheitsakte Elga. Mit dieser würde in die Privatsphäre der Versicherten eingegriffen. Für Patientenanwalt Gerald Bachinger bringt Elga Patienten mehr Autonomie. Zeger hat seine Meinung zwar geändert, Bedenken sind aber geblieben. Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger droht gar mit Boykott, sollte die Politik Elga gegen den Willen der Ärzte durchsetzen.
KURIER: Können Sie – jeder für sich – aus Ihrer Sicht Elga knapp beschreiben?
Hans Zeger: Es ist eine Mogelpackung.
Gerald Bachinger: Es ist die Vernetzung relevanter Gesundheitsdaten.
Mogelpackung? Warum?
Zeger: Weil es als Unterstützung für Patienten verkauft wird, in Wirklichkeit dafür aber nicht geeignet ist. Ich bin der Meinung, dass der Patient entscheiden soll, bei welcher Stelle er alle seine Daten verwaltet haben möchte – und welchem Arzt er diese Daten anvertraut.
Bachinger: Aber genau das macht Elga ja möglich. Jeder kann seine Daten nur dem Arzt seines Vertrauens zugänglich machen. Elga gibt Rechte und stärkt endlich die Autonomie der Patienten gegenüber den Ärzten. Wir wissen aus Umfragen, dass die Mehrheit der Menschen die Vernetzung der Gesundheitsdaten will. So wird gesichert, dass Ärzte die nötigen Informationen bekommen. Das verhindert Todesfälle. Ein Beispiel von vielen aus meiner Praxis: Eine Patientin hat beim Hausarzt eingetragen, dass sie auf ein bestimmtes Schmerzmittel allergisch ist. Sie kommt nach einem Unfall ins Spital. Sie vergisst das dort zu sagen und bekommt das Medikament, auf das sie allergisch ist. Die Frau ist gestorben.
Geplant ist, dass jeder automatisch an Elga teilnimmt. Wer das nicht will, muss seinen Austritt erklären: Das ist das berühmte Opt-out, das auch nur für Teile der Dokumente gelten kann. Was halten Sie davon?
Bachinger: Ich halte das für richtig. Wir haben in Österreich ein öffentliches Gesundheitswesen. Da ist es richtig, Vorgaben zu machen. Viele gehen ja jetzt schon davon aus, dass die Ärzte alle Befunde zur Verfügung haben, die für die Behandlung notwendig sind.
Zeger: Dass Gesundheitsdaten vernetzt werden sollen, ist für mich nicht strittig. Die Frage ist, wie schaut eine Optimale Vernetzung aus. Opt-in oder Opt-out ist da aber eine Scheindiskussion. Wenn es die Vernetzung geben soll, dann soll der Gesetzgeber den Mut haben zu sagen: Die Vernetzung ist im solidarisch finanzierten Gesundheitssystem notwendig. Da darf Opt-in oder Opt-out keine Rolle spielen.
Da gehen Sie sehr weit. Was ist Ihre Hauptkritik?
Zeger: Mir fehlt eine Konkretisierung, dass die Informationen zeitgerecht in einem einheitlichen Dokumentenstandard vorhanden sein müssen, damit der Arzt, der mich behandelt, genau das findet und lesen kann, was er sucht.
Bachinger: Aber genau das sieht das Gesetz doch vor.
Zeger: Ich befürchte, dass das ins Leere geht, weil die Bundesländer nicht dazu gezwungen werden können.
Bachinger: Das wird ein Bundesgesetz, das die Länder übernehmen müssen.
Funktionäre der Ärztekammer warnen vor dem gläsernen Patienten. Ist das berechtigt oder Panikmache?
Zeger: Im Gesetz gibt es eine Bestimmung, aus der sich schließen lässt, dass die Daten – und es sind letztendlich personenbezogene Daten – von Gesundheitseinrichtungen zum Zweck flächendeckender Analysen über Behandlungsverläufe und Diagnosen verwendet werden dürfen. Wenn wir so weit kommen, dann gründe ich als privater Versicherer eine Gesundheitseinrichtung und komme so auch an die Daten. Das darf nicht sein.
Bachinger: Das lese ich so nicht im Gesetzesentwurf. Aber: Wenn sie das befürchten, muss man den individuellen Behandlungszweck im Gesetz als den einzigen Zweck der Elektronischen Gesundheitsakte absichern.
Zeger: Und wenn man wirklich auf Nummer sicher gehen will, muss man die Daten verschlüsselt speichern. Das ist nicht vorgesehen.
Bachinger: Es wird doch jeder Zugriff protokolliert werden und zu sehen sein.
Zeger: Das ist Kontrolle im Nachhinein. Wir reden von neun Millionen Patienten und Hunderten Millionen Befunden. Da wird die Protokollierung entweder nicht funktionieren oder es wird so teuer, dass die Hälfte der Elga-Systemkosten in die Analyse der Protokolle rinnt. Außerdem werden die Daten dezentral an unterschiedlichen Stellen gespeichert, etwa bei den Krankenhausverbünden. Wenn ich zig Stellen habe, wo die Daten gespeichert sind, habe ich auch eine hohe Fehleranfälligkeit. Ein Beispiel: Wenn beim Online-Banking gerade das System gewartet wird, verschiebe ich meine Überweisung. Bin ich aber gerade beim Arzt, der meine Befunde jetzt im Moment für meine Behandlung braucht, kann Folgendes passieren: Dann sagt der Arzt: "Ich habe wegen einer Systemwartung gerade keinen Zugriff auf die Befunde aus dem Labor. Kommen Sie in einer Stunde wieder." Deshalb ist ein zentrales Speichern der Daten, die verschlüsselt werden müssten, notwendig.
Sollte man Elga wegen der Gefahr mangelnden Datenschutzes sausen lassen?
Zeger: Nein, das macht keinen Sinn. Da gilt der alte Spruch: Nur keine Daten sind gute Daten. Aber es muss möglichst hohe Sicherheit gewährleistet sein.
Bachinger: Das sehe ich auch so. Absolute Datensicherheit gibt es nur, wenn keine Daten gesammelt werden.
Elga: Was die Gesundheitsakte bringen soll
Wie es funktioniert: Befunde, Entlassungs- und Arztbriefe sowie Medikationen des Versicherten werden vernetzt. Zugang bekommt der Arzt, wenn er mit der eCard den Versichertenstatus prüft. Wer vom PC in Elga einsteigt, macht das über eine elektronische Signatur und ein Einmal-Passwort, das beim Einstieg angefordert wird (ähnlich dem Online-Banking). Mitte 2013 soll die Vernetzung der Daten starten . Jeder ist automatisch dabei, es sei denn, er deklariert den Austritt ("Opt-out"). Jeder kann Teile seiner Daten sperren oder Daten nur dem Arzt des Vertrauens zugänglich machen. Zugriffe auf die Daten werden protokolliert und scheinen in der Elga-Datei auf. So ist nachvollziehbar, wer wann welche Daten abgerufen hat. Arbeitgeber, Versicherungen, Verwaltungsbehörden und Gerichte bekommen die Daten nicht.
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