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Ein Plan für einen radikalen Schnitt

Von 30 auf 15 Prozent: Gesundheitsminister Alois Stöger will die Kaiserschnittrate in Österreich halbieren. Dies ist ein heftig diskutierter Punkt der neuen Kindergesundheitsstrategie - der KURIER berichtete: "Ich bin nicht gegen einen Kaiserschnitt, aber man muss sich seriös ansehen, warum wir im internationalen Spitzenfeld liegen", so Stöger. Die 15 Prozent seien eine Empfehlung der WHO.

"Diese Empfehlung stammt aus den 80er-Jahren und ist im Wesentlichen auf Länder der Dritten Welt ausgerichtet. Das in Österreich umzusetzen macht keinen Sinn", sagt Univ.-Prof. Peter Husslein von der Frauenklinik der MedUni Wien - der aber gleichzeitig die Kindergesundheitsstrategie lobt.

Die hohe Kaiserschnittrate sei kein medizinisches, sondern ein gesellschaftliches Problem: "Sie steigt, weil die Frauen bei der Geburt älter sind als früher, wir mehr Problemgeburten haben und viele Paare nur mehr ein Kind bekommen und Angst vor der Geburt haben."

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Univ.-Prof. Christian Marth, Präsident der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: "Die Sichtweise auf die Geburt eines Kindes hat sich verschoben. Viele Paare sind heute nicht mehr bereit, ein Risiko einzugehen." Durch die hohe Bereitschaft zu klagen gebe es auch einen hohen Druck auf die Ärzte: "Es gibt eher eine Verurteilung wegen eines nicht durchgeführten Kaiserschnitts als wegen eines durchgeführten." Eine reine "Wunsch-Sectio" sei aber sehr selten. Das Absenken der Kaiserschnittrate bringe keinen großen Nutzen.

Falsche Auslegung "Dass wir mit unserer Kaiserschnittrate über dem Durchschnitt anderer
industrialisierter Länder liegen, gibt einem schon zu denken", sagt hingegen Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte. "Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten wird hier völlig falsch ausgelegt. Eine Wunsch-Sectio, weil man einen bestimmten Termin möchte, ist sicherlich kein Patientenrecht." Sehr kritisch sieht die hohe Kaiserschnittrate auch der Gynäkologe Univ.-Prof. Karl Philipp vom Wiener SMZ-Ost: "Der Wunsch nach einem Kaiserschnitt geht teilweise von den Eltern aus, teilweise wird er aber auch durch die ärztliche Beratung in die Eltern hineingetragen. Wenn mir der Arzt sagt, der Kaiserschnitt ist die sicherste Methode, dann mache ich ihn auch."

Doch diese Auffassung sei falsch: "Die meisten Beeinträchtigungen eines Kindes entstehen in der Schwangerschaft, nicht bei der Geburt." Dass die ärztliche Beratung teilweise pro Kaiserschnitt sei, hänge auch mit fehlender Erfahrung zusammen: "Die konservative Geburtshilfe wird zu wenig gelehrt." Auch Stöger sieht Ausbildungsmängel als einen Grund für die hohe Rate. Anders Husslein: Mangelnde Erfahrung sei höchstens "ein ganz kleiner Teil" der Gründe für die steigende Kaiserschnittfrequenz.

"Aus Pilotprojekten wissen wir, dass weniger Kaiserschnitte von Frauen gewünscht werden, wenn sie auch während der gesamten Schwangerschaft von einer Hebamme betreut wird und Ängste ausgeräumt werden können", sagt Regina Zsivkovits vom Verein freier Hebammen Wien.

Sie sieht auch in der Terminplanung der Mediziner einen Grund für die steigende Rate:
"In den 50er-Jahren waren gerade die Sonntage starke Geburts-Tage. Heute sind es vielerorts der Donnerstag oder Freitag." Und während Zsivkovits beim Kaiserschnitt ein deutlich höheres Risiko für die Frauen sieht, weist Husslein das zurück: "Das ist völliger Unsinn."

Beides erlebt: "Komisch, den Tag zu wissen"

Kaiserschnitt oder spontane Geburt? "Drei Mal lieber eine normale Geburt", sagt Gudrun L. überzeugt. Die 37-jährige Oberösterreicherin weiß, wovon sie spricht. Ihr erstes Kind kam per Notkaiserschnitt zur Welt. "Irgendwie war ich enttäuscht, ich war so auf eine normale Geburt eingestellt." Nummer zwei und drei der Kinderschar im Hause L. waren "unkomplizierte, normale Geburten". Doch als sich dann auch noch eineiige Zwillinge ankündigten, rieten die Ärzte aus medizinischen Gründen zu einem geplanten Kaiserschnitt. "Es war schon komisch, dass wir den genauen Geburtstag sehr lange vorher wussten, aber der Kaiserschnitt war notwendig." Leichter als eine Geburt samt Wehen hat diesen die Fünffach-Mutter nicht empfunden. "Die Nachwehen waren heftiger als bei den normalen Geburten." Doch wie ihre Kinder auch zur Welt kamen: "Es zählt, dass sie gesund sind."