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Neue Nase wächst auf der Stirn

Auf den ersten Blick ist die Nase auf der Stirn des 22-jährigen Chinesen Xiaolian einfach nur surreal. Doch was nach einer medizinischen Sensation aussieht, ist für plastische Chirurgen eine alte, bewährte Technik. Bei einem Autounfall im August 2012 wurde die Nase von Xiaolian schwer verletzt – in der Folge verlor er aufgrund von Infektionen den gesamten Nasenknorpel. Seine Ärzte entschlossen sich daher, eine neue Nase für ihn zu züchten – im Spital von Fouzhou in Provinz Fujian wurde dem Mann Knorpel aus seiner Rippe entnommen und daraus eine neue Nase geformt. Diese wurde unter die Stirnhaut transplantiert.

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Für Prim. Thomas Hintringer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie ist die Technik nichts Neues: „Sie geht auf die jahrhundertealte indische Nasenplastik zurück, bei der die Stirnhaut schon für die Rekonstruktion der Nase verwendet wurde.“ Die Methode, aus Rippenknorpel eine stabile Nase zu formen und mit Haut an einer anderen Körperstelle zusammenwachsen zu lassen, sei schon seit etwa 20 Jahren verbreitet. „Im Prinzip kann man das an jeder Region machen.“ Üblich sei eher der Unterarm. Angewandt wird diese Technik etwa häufiger bei Kieferrekonstruktionen.

Funktionstüchtig

Die Ärzte von Xiaolian sind optimistisch, dass die Nase auch weiterhin „gut gedeiht“ und bald auf ihren eigentlichen Platz transplantiert werden kann. Ob er mit seiner neuen Nase auch riechen können wird, hängt laut Hintringer davon ab, ob die Nervenenden im oberen Bereich der Nase zerstört wurden.

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Schon 1995 sorgte die Maus, der ein Ohr am Rücken wuchs, für Aufsehen. Ein Forscherteam an der Universität Massachusetts hat aus einzelnen menschlichen Zellen eine Hörmuschel wachsen lassen. Das in der Retorte gewachsene Ohr wurde auf den Rücken einer Maus transplantiert. „Das Experiment mit der Maus geht auf dieselbe Idee zurück“, sagt Hintringer. „Man kann auch einen Ohrknorpel schnitzen, ihn am Unterarm einnähen und dann an die richtige Stelle transferieren.“

Sieben Monate lebt Richard Norris bereits mit dem Gesicht eines anderen – und der US-Amerikaner ist damit mehr als glücklich: "Die vergangenen 15 Jahre habe wie versteckt wie ein Einsiedler hinter einer OP-Maske verbracht. Ich bin nachts einkaufen gegangen, wenn möglichst wenige Menschen unterwegs waren", sagt der US-Amerikaner laut einer Aussendung der University of Maryland, die die Transplantation durchgeführt hat. "Jetzt kann ich rausgehen - und niemand starrt mich an, ich muss keine Kommentare hören."

Norris wurde 1997 bei einem Zwischenfall mit einer Schusswaffe verletzt – sein gesamter Kiefer, seine Nase, seine Lippen wurden dabei komplett zerstört. In einer 36 Stunden dauernden Operation wurden vergangenen Frühling diese Gesichtsteile ersetzt, ebenso wie Zähne, Zunge und Gesichtsnerven.

Mittlerweile ist es ihm wieder möglich, zu lächeln und Emotionen zu zeigen. Seine motorischen Funktionen in der rechten Gesichtshälfte würden bereits zu 80 Prozent funktionieren, jene der linken zu 40, so seine Ärzte. Auch schmecken und riechen kann Norris jetzt wieder.

Hilfe für Kriegsopfer

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Die Erfolge, die das Ärzteteam mit Norris` Operation feiern konnte, sollen jetzt auch anderen Patienten zugutekommen. Die Operateure haben sich zehn Jahre lang darauf vorbereitet und diverse Methoden erforscht; diese Expertise will man auch in anderen Fällen anwenden. Vor allem Verwundeten aus den Kriegsgebieten im Irak und Aghanistan soll so wieder zu einem normalen Leben verholfen werden - schließlich wird das Forschungsprogramm auch vom Office of Naval Research im Verteidigungsministerium finanziert.

Norris selbst muss sich zwar noch diversen Therapien unterziehen, aber er macht große Fortschritte. "Es geht jeden Tag besser. Und mir geht es gut. Ich verbringe viel Zeit beim Fischen und Golfen."