Bittere Zeiten für Honig und Bienen
Von Hedwig Derka
Mit Akazienhonig schaut es heuer schlecht aus. Als der bergamottartige Duft der Gewöhnlichen Robinie Insekten zu reichlich Nektar locken wollte, kehrte die Kälte wieder und trieb die Bienen zurück in ihre Stöcke, die Knospen des Baumes erfroren. Die Ernte des hellgelben Genussmittels mit dem milden Geschmack bleibt aus. Auch zur Rapsblüte zeigte sich das Wetter nicht gerade bienenfreundlich.
Imker befürchten für 2017 ein mageres Honigjahr. Flora und Fauna spielen nicht mit. Zudem mangelt es hierzulande prinzipiell an Bienenzüchtern.
"Es fehlt viel von der Frühlingsentwicklung", beklagt Stefan Mandl. Rechnet der Präsident des Österreichischen Erwerbsimkerbundes im Schnitt mit zwanzig Kilo Honig pro Bienenvolk und Jahr, werden es heuer nur zehn Kilo sein. "Erschwerend kommt hinzu, dass über den Winter ein Drittel der Bienenvölker gestorben ist", sagt der beelocal-Chef über 10.000 Bienenvölker und zwölf fixe Mitarbeiter. Üblicherweise liegt die natürliche Selektion bei etwa zehn Prozent.
Die Natur ist unberechenbar, viele Imker haben daher ein zweites Standbein (siehe Grafik). "Wir haben in Österreich eine Selbstversorgung an Honig von nur 41 Prozent", sagt Mandl, der mit seinem Riesenbetrieb eine Supermarktkette beliefert. Sein persönlicher Geschmacksfavorit ist der Sommerblütenhonig – eine Mischung aus allen Blüten, die seine Bienen im Juni und Juli auf 100 km² anfliegen. Die Welt der kleinen Insekten ist groß.
Das weiß auch Gernot Gangl. In seiner Ein-Mann-Honigschmiede arbeitet er mit 200 Bienenvölkern. Am Stadtrand Wiens fertigt er nach strengen Kriterien Bio-Produkte: Wabenhonig aus reinem Bienenwachs, Immunsystem stärkende Propolistropfen und Honigwein. Wie viel er heuer von seinem Honig mit Chili, der zu Käse und Grillgut passt, oder dem vollmundigen Cremehonig mit Orangenzesten für Butterbrot, Joghurt oder Salat produzieren kann, weiß er noch nicht: "Jeder Imker hat heuer mehr Verluste als sonst. Aber die Honigsaison hat gerade erst begonnen, man kann noch hoffen."
Aktuellen Studien zufolge leben Immen in der Stadt oft besser als auf dem Land. In Parks und Gärten können sie verschiedenste Blüten absammeln, die darüber hinaus mit weniger Pestiziden belastet sind als im ländlichen Raum. Gangls Stöcke stehen inmitten von biologisch bewirtschafteten Flächen und in Windschutzgürteln. Die künstlichen Nisthöhlen sind ausschließlich aus Holz und ohne Styropor gefertigt. Auch bei den Zutaten achtet der Direktvermarkter auf Bio-Qualität. "Bei den Rezepten probiert man gewisse Sachen aus, auch was man bei Kollegen gesehen hat. Es ist keine Hexerei", sagt der Erwerbsimker, der 2007 als Hobby-Bienenzüchter begonnen hat.
"2005, 2006 ist das Interesse an der Bienenzucht sehr stark gestiegen", erinnert sich Albert Schittenhelm, Leiter der Imkerschule Wien. Mittlerweile hat sich die Zahl der Einsteiger bei rund 150 pro Jahr eingependelt. "Das Publikum kommt quer aus dem Gemüsegarten. Es wird zusehends jünger und weiblicher", sagt der Imkermeister. Im Donaupark lernen die Neulinge, dass Bienen einen Honigmagen haben, in dem der Nektar mit Enzymen der Speicheldrüsen vermischt und in Honig umgewandelt wird; wie man Königinnen züchtet; dass in der Betreuung der Völker weniger Zutun oft mehr ist; und wie man Honig schleudert. Mit Romantik hat die Schwerarbeit nichts zu tun. Heuer wird es besonders hart: "Den Bienen geht es nicht schlecht. Sie entwickeln sich so, wie die Natur es zulässt. Aber den Imkern geht es schlecht." Weniger Nektar und weniger Pollen bedeuten weniger Honig.
Regional
Für die steirische Hobbyimkerin Verena Brachmayer spielen die aktuellen Wetterkapriolen keine Rolle. Ihre 17 Völker sind in der Murauer Höhenlage gut über den Winter gekommen. Ihre Spezialität, der Waldhonig, wird erst Ende Juni eingebracht. Er entsteht aus Honigtau, dem zuckersüßen Ausscheidungsprodukt von Läusen.
"Beim Thema Bienen lernst du nie aus. Sie sind faszinierende Wesen", begeistert sich die "Bienenvreni" (so der Name ihres Blogs). Ihre Bewunderung für das soziale Staatengefüge hat die Angst vor den Insekten mit dem Stachel überwunden: "Im Stock darf kein Rädchen fehlen." Die Königin ist genau so wichtig wie die Drohnen. Ohne Arbeiterinnen geht es auch nicht. Es braucht Flugbienen, Putzbienen und Bienen, die auf die Kinder schauen. Ganz nebenbei gibt es Honig.
Die Honigbiene hat schwer zu tragen. Für 80 Prozent der Pflanzen, die auf Fremdbestäubung angewiesen sind, übernimmt die Imme diese Arbeit; sie zählt damit zu den wichtigsten Nutztieren. Seit einigen Jahren kommt es in Europa und Nordamerika zu massiven Verlusten an Bienenvölkern. Indirekt sind die Bestäuberinnen für mehr als die Hälfte unseres Essens verantwortlich, das große Sterben während der Überwinterung hat also wirtschaftliche und ökologische Folgen.
"Hauptauslöser des Bienensterbens scheint nicht, wie bisher vermutet, der Pestizideinsatz in der modernen Landwirtschaft", hieß es in einer Arbeit der Vetmeduni Vienna Ende 2016: Vielmehr hängt das Überleben der Bestäuberinnen maßgeblich von der Belastung durch die Varroamilbe ab – einen blutsaugenden Parasiten – und den durch diese Milbe verursachten Infektionen mit dem Flügeldeformationsvirus. Das Virus führt zu Verfärbungen, Zwergenwuchs, Tod oder eben zu den namensgebenden Missbildungen der Flügel. Es befällt vor allem Nerven-, Drüsen- und Bindegewebe. Eventuell erfolgt die Übertragung auch oral von Biene zu Biene im Stock. Am Institut für Virologie will man nun durch kontrollierte Versuchsbedingungen Strategien zum Schutz der Bienenvölker entwickeln.
Weltweit beschäftigen sich Forscher auch damit, wie Pflanzenschutzmittel den Honigproduzentinnen zusetzen. US-Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Neonicotinoide zwanzig Prozent der lokalen Wildbienen-Populationen vernichteten. Deutsche Experten belegten, dass Bienen bereits nach kleinsten Dosen dieser Insektizide ihre Orientierung und ihr Gedächtnis verlieren. Konkrete Zahlen über die (über)regionale Entwicklung der Bienendichte fehlen. Die Diskussion um den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft geht jedenfalls weiter.
Honig besteht aus etwa 200 Inhaltsstoffen – Fruchtzucker, Traubenzucker und Wasser sind die wichtigsten. Abgesehen vom süßen Geschmack, den schon die Steinzeitmenschen schätzen, wird dem Bienenprodukt auch heilende Wirkung nachgesagt – allen voran dem Neuseeländischen Manuka-Honig aus dem Blütennektar der Südseemyrte.
"Vom Manuka-Honig wird weltweit unermesslich mehr verkauft als produziert", sagt Stefan Mandl, Präsident des Österreichischen Erwerbsimkerbundes: "Dabei wirkt der heimische Honig genau so." Das Naturprodukt soll entzündungshemmend, antibiotisch und antiallergen sein. Außerdem soll es Immun- sowie Herz-Kreislauf-System stärken. "Honig aus vielen verschiedenen Pflanzen ist der gesündeste, er enthält von allen Pflanzen die Wirkstoffe", sagt der Großimker.
Mittels Lichtmikroskop kann relativ einfach festgestellt werden, welche Blütenpollen im Honig Spuren hinterlassen haben. Auch Aroma und Färbung des Genussmittels geben Aufschluss über die natürlichen Zutaten. Beim Kräuterhonig sammeln Bienen bis zu 80 verschiedene Pflanzen ab. Mandl versichert: "Honig aus Österreich wird sehr stark kontrolliert. Was auf dem Etikett steht, ist auch drin."