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Video-Dolmetscher beim Arzt

Was Patient und Arzt oft trennt ist, die gemeinsame Sprache – Untersuchungen zeigen, dass jeder dritte Patient am Tag nach dem Arztbesuch keine Ahnung hat, was ihm der Arzt eigentlich gesagt hat. Umso komplizierter wird es für beide Seiten, wenn der Patient kein oder nur wenig Deutsch spricht.

"Es kommt immer wieder vor, dass wir uns auf das siebenjährige Kind des Patienten als Übersetzer verlassen müssen", erzählt der Chirurg Friedrich Anton Weiser. "In dieser Situation ist dann weder für den Arzt noch für den Patienten ausreichende Sicherheit gegeben."

Erstmals in einer österreichischen Kassenpraxis gibt es nun in seinem Medico-Chirurgicum in Wien-Liesing ein Video-Dolmetschsystem, das bei Sprachproblemen genutzt wird. Über einen Bildschirm kann Weiser so bei Bedarf innerhalb von maximal zwei Minuten eine Videoleitung zu einem ausgebildeten Dolmetscher aufbauen. Das gibt sowohl Patient als auch Behandler mehr Sicherheit, weiß Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte, aus Erfahrung. "Schlechte und unvollständige Kommunikation ist immer wieder Auslöser für tragische und katastrophale medizinische Behandlungsfehler."

Rechtssicherheit

Das Grundbedürfnis, zu verstehen und verstanden zu werden, sei kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für beide Seiten. Allem voran schon rein aus rechtlichen Gründen – die Einwilligung zu einer Behandlung ist nur dann rechtsgültig, wenn der Patient sie auch versteht. Ansonsten drohen im Notfall folgenreiche Haftungsprobleme. Bachinger bringt das Beispiel eines 16-Jährigen mit einem Unterschenkelbruch in Niederösterreich. Er sprach nur Englisch und hätte sein Bein wohl nicht verloren, wenn er beim Arzt-Gespräch verstanden hätte, das ihn ein kleiner Eingriff vor der Amputation bewahren kann. Aufgrund der Sprachbarriere dachte er aber, der Arzt will ihm das Bein sofort abnehmen und weigerte sich. Bis das Missverständnis aufgeklärt war, war es zu spät für das Bein – es musste amputiert werden.

"Dieser tragische Fall hätte durch einen Video-Dolmetscher verhindert werden können", sagt Bachinger. "Und mit den Folgekosten für den Patienten hätte man das Video-Dolmetschen auf Jahre finanzieren können." Jeder in gute Kommunikation investierte Euro rechne sich durch das bessere Behandlungsergebnis. Die Patienten sind schneller arbeitsfähig und haben mehr gesunde Lebensjahre.

Kosten

15 Minuten dolmetschen kosten 30 Euro – es gibt 500 zertifizierte Dolmetscher für die 20 gängigsten Migrantensprachen. Ab September gibt es das Service auch für Gebärdensprache. Viele Gehörlose konnten bisher kaum zum Arzt, weil es zu wenig Dolmetscher gibt. Für den Pilotversuch in seiner Kassenpraxis sucht Weiser allerdings noch finanzielle Unterstützung – denn bei 36 Euro Quartals-Pauschale, die er bekommt, bleibt wenig übrig und den oft finanzschwachen Patienten will er die Kosten nicht aufbürden.

Genutzt wird SAVD Videodolmetschen GmbH derzeit schon von der Pensionsversicherungsanstalt, vom AMS und von der Justizvollzugsanstalt. Im Gesundheitsbereich gebe es aber noch großen Nachholbedarf, kritisiert Bachinger. Zwar gebe es Vorbild-Projekte, etwa im AKH Linz oder im St. Anna Kinderspital, aber gerade in Wien beim Krankenanstaltenverbund und im Wiener AKH sowie bei der NÖ Holding weigere man sich noch, das System anzuwenden. "Dabei ist es ein viel größerer Aufwand, jemanden im Spital zu finden, der seine Arbeit liegen lassen und als Übersetzer einspringen kann. Und es kostet auch mehr Zeit. Das ist ein Dahinwursteln." Deutsche Krankenanstalten seien da viel "entscheidungsfreudiger".

Probleme gibt es allerdings auch schon bei Patienten mit deutscher Muttersprache, wie die eingangs erwähnte Untersuchung gezeigt hat. Bei der Patienten-Mündigkeit gebe es in Österreich viel Luft nach oben, sagt Bachinger. Ein Großteil der Fälle in der Patientenanwaltschaft wären durch bessere Kommunikation verhinderbar.